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Steuerbefreiung bei Erbschaft des Familienwohnheims entfällt, wenn die Immobilie innerhalb von zehn Jahren übertragen wird

Von: Dr. Georg Weißenfels

FG Münster - Urteil vom 28.09.2016 - 3 K 3757/15

  • Ehefrau erbt von ihrem Mann den Familienwohnsitz und erhält hierfür eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG
  • Ehefrau überträgt die Immobilie an ihre Tochter und behält sich Nießbrauch vor
  • Finanzamt widerruft die Steuerbefreiung trotz weiterer Wohnnutzung durch Ehefrau

Einen etwas heiklen aber überaus praxisrelevanten Fall hatte das Finanzgericht Münster in Zusammenhang mit der Steuerbefreiung bei Erbschaft des Familienwohnheims zu klären.

In der Angelegenheit hatte eine Ehefrau ihren Ehemann aufgrund eines Testaments alleine beerbt.

Zum Nachlass gehörte auch der hälftige Anteil des Ehemannes an dem gemeinsam genutzten Familienwohnsitzes.

Erbin wird Steuerbefreiung zunächst gewährt

Nachdem die Ehefrau als Erbin den Familienwohnsitz nach dem Tod ihres Ehemannes weiter zu Wohnzwecken nutzen wollte, beantragte sie beim Erbschaftsteuerfinanzamt auf Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz) für diese Immobilie eine Steuerbefreiung.

Am 28.04.2014 erließ das Finanzamt einen Erbschaftsteuerbescheid und stellte die Immobilie nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerfrei.

Am 15.10.2014 übertrug die Ehefrau die Immobilie dann aber an ihre Tochter. In dem notariellen Übergabevertrag hatte sich die Ehefrau ein lebenslanges Nießbrauchrecht an der Immobilie vorbehalten. Auch nach der Übertragung der Immobilie nutzte die Ehefrau das Anwesen weiter zu Wohnzwecken.

Steuerbefreiung wird von Finanzamt rückgängig gemacht

Das Finanzamt bekam aber von der Grundstücksübertragung Wind und änderte den Erbschafteuerbescheid zu Ungunsten der Ehefrau ab. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG wurde vom Finanzamt mit dem Argument kassiert, dass die Ehefrau die Immobilie auf ihre Tochter übertragen habe. Voraussetzung für den Behalt der Steuerbefreiung sei aber, so das Finanzamt, dass der Grundbesitz vom Erwerber aus der Rechtsposition des Eigentümers zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde.

Gegen den insoweit geänderten Steuerbescheid legte die Ehefrau umgehend Einspruch ein. Sie wies in ihrem Einspruch – nicht ganz fernliegend – darauf hin, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG einen Wegfall der Steuerbefreiung nur für den Fall vorsehe, dass die Eigennutzung zu Wohnzwecken aufgegeben werde.

Dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG könne man hingegen gerade nicht entnehmen, dass die Nutzung in der Rechtsposition als Eigentümer fortgesetzt werden müsse.

Das Finanzamt wies den Einspruch zurück, was die Ehefrau mit einer Klage zum Finanzgericht beantwortete.

Finanzamt weist Klage als unbegründet zurück

Das Finanzgericht wies die Klage aber in einem sorgfältigen Urteil als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass es für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht ausreiche, dass die Klägerin den geerbten Grundbesitz aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauch noch weiter zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

Dabei räumte das Gericht durchaus ein, dass der Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift der Klägerin Recht gebe.

Das Gericht verwies auch auf Teile der Fachliteratur, die eine Steuerbefreiung auch noch für den Fall der Veräußerung (in Verbindung mit weiterer Wohnnutzung) gewähren wollen.

Andere Meinungen würden, so die Ausführungen des Gerichts, danach differenzieren, an wen die Immobilie übertragen wird.

Eine dritte Meinung und mit ihr auch das Hessische Finanzgericht wollten eine Steuerbefreiung aber dann nicht mehr gewähren, wenn der Erbe das Wohnheim auf einen Dritten übertrage.

Letzterer Meinung schloss sich auch das Finanzgericht Münster an. Eine Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nach Sinn und Zweck der Norm und unter Berücksichtigung systematischer Gesichtspunkte ergebe, dass eine Steuerbefreiung dann nicht mehr gewährt werden könne, wenn das Eigentum an der Immobilie auf Dritte – so auch eigene Kinder – übertragen wird.

Das letzte Wort in der Angelegenheit dürfte allerdings noch nicht gesprochen sein. Das Finanzgericht ließ in der Sache die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Dort wird man also über die Frage absehbar noch einmal letztinstanzlich entscheiden müssen.

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