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Pflichtteilsanrechnung von lebzeitigen Zuwendungen – Der Empfänger der Zuwendung muss den Zweck der Zuwendung kennen!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Koblenz – Urteil vom 15.06.2020 – 12 U 1566/19

  • Pflichtteilsberechtigter erhält zu Lebzeiten Geldzuwendungen
  • Erben wollen die Zuwendungen auf den Pflichtteil anrechnen lassen
  • Die Voraussetzungen für eine Anrechnung liegen nicht vor

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte über die Berechtigung einer Pflichtteilsforderung zu entscheiden.

In der Angelegenheit war eine Tochter nach dem Tod ihrer Eltern durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen worden.

Die Tochter machte gegen die Erben daraufhin ihren Pflichtteil geltend.

Die Erben berufen sich auf § 2315 BGB

Vor Gericht verteidigten sich die Erben vor allem mit der gesetzlichen Bestimmung in § 2315 Abs. 1 BGB.

Nach § 2315 Abs. 1 BGB gilt folgendes:

Der Pflichtteilsberechtigte hat sich auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.

Die Erben wollten also lebzeitige Zuwendungen der Erblasser an die Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil mindernd ins Spiel bringen.

Verwendungszweck „Erbteil“ auf dem Überweisungsträger

Hier ging es zum einen um Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.000 Euro, die unstreitig in den Jahren 2012 und 2013 von der Mutter der Pflichtteilsberechtigten an die Pflichtteilsberechtigte geleistet worden waren.

Als Verwendungszweck hatte die Mutter bei den entsprechenden Überweisungen jeweils den Begriff „Erbteil“ angegeben.

Weiter wollten die Erben einen weiteren Betrag in Höhe von 12.709,50 Euro vom Pflichtteil abziehen, den der Vater der Pflichtteilsberechtigten dieser im Jahr 2017 überwiesen hatte.

Zu dieser Zuwendung hatte der Vater der Pflichtteilsberechtigten in seinem Testament aus dem Jahr 2019 ausgeführt, dass seine Tochter diesen Betrag zur „Abgeltung ihres Pflichtteilanspruchs“ erhalten habe.

Das Landgericht verurteilt die Erben zur Zahlung

Das Landgericht Trier wollte diese beiden von den Erben geltend gemachten Abzugsbeträge nicht gelten lassen und verurteilte die Erben zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.972,05 Euro an die pflichtteilsberechtigte Klägerin.

Die Erben gingen gegen das Urteil des Landgerichts zum Oberlandesgericht Koblenz in Berufung.

Das OLG teilte aber die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts und wies die Berufung als unbegründet zurück.

Anrechnungsbestimmung muss vor oder bei der Zuwendung erfolgen

Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass eine lebzeitige Zuwendung nur dann auf den Pflichtteil anzurechnen sei, wenn eine solche Anrechnung vom Erblasser vor oder bei der Zuwendung angeordnet worden sei.

Alleine der Hinweis „Erbteil“ auf einem Überweisungsträger erfülle, so das OLG, diese Voraussetzungen nicht.

Aus der Formulierung „Erbteil“ ließe sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass der Erblasser eine Anrechung der Zuwendung auf den Pflichtteil gewollt habe.

Eine entsprechende Anordnung durch den Erblasser müsse für den Pflichtteilsberechtigten aber erkennbar sein.

Erben sind in der Beweispflicht

Auch die zweite Zuwendung in Höhe von 12.709,50 Euro konnte nicht auf den Pflichtteil angerechnet werden.

Auch hier gelang es den Erben nicht zu beweisen, dass zeitlich „vor oder bei“ der Zuwendung eine entsprechende Anrechnungsanordnung vom Erblasser getätigt worden war.

Nachdem der Erbe aber für das Vorliegen einer Anrechnungsbestimmung durch den Erblasser beweisbelastet war, verblieb es am Ende bei dem Ergebnis, das bereits das Landgericht in erster Instanz festgestellt hatte.

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