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Anwalt darf nicht gleichzeitig Pflichtteilsberechtigte vertreten und in derselben Nachlasssache Nachlassforderung abwehren

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Beschluss vom 16.01.2013 - I V ZB 32/12

  • Anwalt vertritt Kinder wegen Pflichtteil
  • Nachfolgend nimmt Anwalt Mandant der Erbin an
  • Gerichte sehen Gefahr widerstreitender Interessen

Der Bundesgerichtshof hatte in einer erbrechtlichen Auseinandersetzung darüber zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt einer der beteiligten Parteien gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen hatte.

In der vom BGH entschiedenen Angelegenheit hatte eine Alleinerbin gegen die Witwe ihres bereits verstorbenen Bruders eine Nachlassforderung vor Gericht geltend gemacht.

Die Witwe des Bruders bestritt diese Forderung und ließ sich, da sie nicht über genügend Mittel zur Prozessführung verfügte, vom Gericht Prozesskostenhilfe gewähren und sich den Anwalt R als ihren Vertreter beiordnen.

Was allen Parteien dieses Rechtsstreits bekannt war, war die Tatsache, dass Anwalt R in einem bereits abgeschlossenen Vorprozess die Kinder der beklagten Witwe in derselben Nachlasssache gegen die Klägerin und Alleinerbin vertreten hatte, als die Kinder gegen die Alleinerbin Pflichtteilsansprüche geltend machten.

Beiordnung des Anwalts wird vom Gericht aufgehoben

Als das Landgericht von diesem Umstand erfuhr, hob es die Beiordnung von Anwalt R rückwirkend auf.

Gegen diese Aufhebung seiner Beiordnung richteten sich die Beschwerden sowohl der beklagten Witwe als auch des Anwalt R. Vor dem Oberlandesgericht blieben die Beschwerden erfolglos. Die beklagte Witwe und der Anwalt zogen aber weiter und legten Rechtsbeschwerde zum BGH ein.

Doch auch der BGH wollte der Argumentation der Beschwerdeführer nicht folgen und wies die Rechtsbeschwerden zurück.

Der BGH ging bei seiner Entscheidung dabei von den gesetzlichen Vorschriften in § 43a Abs. 4 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) und § 3 Abs. 1 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) aus. Danach ist es einem Anwalt untersagt tätig zu werden, „wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat“.

Wann liegt ein und diesselbe Rechtssache vor?

Der BGH wies darauf hin, dass ein und dieselbe Rechtssache bereits dann vorliegen würde, wenn sich die verschiedenen von ein und demselben Anwalt übernommenen Mandate zumindest teilweise sachlich-rechtlich decken würden.

An dieser Annahme gab es für das Gericht keinen Zweifel, da es sowohl bei dem Pflichtteilsanspruch als auch bei der Abwehr der Forderung um ein und denselben Nachlass ging.

Der Interessengegensatz, in dem sich der Anwalt in dem Fall befand lag ebenfalls auf der Hand. In dem laufenden Prozess, in dem er im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, war es seine Verpflichtung alles zu tun, um die von der Klägerin geltend gemachte Nachlassforderung abzuwehren.

Interessenwiderstreit des Anwalts liegt offensichtlich vor

Diese Tätigkeit lief aber offensichtlich den Interessen seiner anderen Mandanten, der Pflichtteilsberechtigten in derselben Nachlasssache, zuwider. Je höher schließlich der Nachlasswert, desto höher fallen regelmäßig auch die Pflichtteilsansprüche aus.

Den Beschwerdeführern half es am Ende auch nicht mehr, dass sich sämtliche Mandanten des Anwalts, also auch die Pflichtteilsberechtigten, mit seiner Vertretung in Kenntnis des Interessenkonflikts für einverstanden erklärt hatten. Die Doppelvertretung blieb unzulässig.

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