Wie bemisst sich der Streitwert bei einer Stufenklage auf den Pflichtteil?
OLG München – Beschluss vom 14.08.2023 – 33 W 321/23 e
- Kläger gibt bei einer Klage auf den Pflichtteil einen Streitwert von 10.000 Euro an
- Die Parteien einigen sich in der Folge auf Zahlung eines Pflichtteils in Höhe von 265.000 Euro
- OLG bemisst den Streitwert für die Abrechnung der Kosten auf 230.000 Euro
Das Oberlandesgericht München hatte in einem Pflichtteilsstreit zu klären, in welcher Höhe der Streitwert festgesetzt werden muss.
In der Angelegenheit war ein Familienvater im Jahr 2018 verstorben.
Der Erblasser hatte seine Ehefrau durch Testament als alleinige Erbin eingesetzt.
Sohn macht gegen den Nachlass einen Pflichtteilsanspruch geltend
Dem Sohn des Erblassers standen gegenüber der Alleinerbin Pflichtteilsansprüche zu.
Nachdem sich der Sohn des Erblassers und die Erbin außergerichtlich nicht einigen konnten, erhob der pflichtteilsberechtigte Sohn gegen die Erbin eine Stufenklage.
In einer ersten Stufe sollte die Erbin dem Kläger Auskunft über Zusammensetzung und Wert des Nachlasses erteilen.
Gegenüber dem Landgericht gab der Kläger an, dass sich der Wert seines geltend gemachten Pflichtteilanspruchs auf mindestens 10.000 Euro belaufen würde.
Das Landgericht erlässt ein Teilurteil
Gegen den Pflichtteilsanspruch des Sohnes gab es wenig einzuwenden, sodass das Landgericht am 04.09.2020 ein Teilurteil erließ, mit dem die Erbin zur Vorlage eines Wertgutachtens über diverse Nachlassgegenstände verurteilt wurde.
In der Folgezeit einigten sich die Parteien darauf, dass die Erbin dem Sohn des Erblassers auf seinen Pflichtteil einen Betrag in Höhe von 265.000 Euro bezahlt.
Nach der so erfolgten Einigung erklärte der Kläger den Rechtsstreit am 04.01.2023 für erledigt.
Damit war das Verfahren in der Hauptsache erledigt.
Das Landgericht setzt einen Streitwert von nur 10.000 Euro fest
Das Landgericht setzte dann aber den Streitwert des Verfahrens auf einen Betrag in Höhe von nur 10.000 Euro fest und erlegte der Erbin als unterlegener Partei die Kosten des Verfahrens auf.
Trotz der Vergleichssumme in Höhe von 265.000 Euro, auf die sich die Parteien geeinigt hatten, stellte das Gericht auf die Angaben zum Streitwert ab, die der Kläger zu Beginn des Verfahrens gemacht hatte.
Mit der Höhe der Streitwertfestsetzung war dann aber der Anwalt des Pflichtteilsberechtigten nicht einverstanden.
Der Anwalt bangt um seine Gebühren
Nachdem sich die Gebühren des Anwalts nach der Höhe des Streitwertes bemessen, legte der Anwalt eine so genannte Streitwertbeschwerde ein, um auf diesem Weg einen höheren Streitwert zu erreichen.
Das OLG gab der Streitwertbeschwerde statt.
Das OLG stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass es in Literatur und Rechtsprechung umstritten sei, wie der Streitwert bei einer vorzeitig abgebrochenen Stufenklage zu bemessen sei.
Wie wird der Streitwert nach h.M. ermittelt?
Laut Bundesgerichtshof müsse auf die „realistischen wirtschaftlichen Erwartungen, die der Antragsteller zu Beginn des Verfahrens mit dem unbezifferten Antrag in der Leistungsstufe verknüpft“ abgestellt werden.
Andere Meinungen würden hingegen vertreten, dass man auf die Erkenntnisse zum Schluss des Verfahrens abgestellt werden müsse.
Das OLG wies dann aber darauf hin, dass dem Pflichtteilsberechtigten bei einem Streit über den Pflichtteil typischerweise nur unzureichende Informationen über den Nachlass vorliegen würden.
Die Erkenntnisse zum Ende des Verfahrens müssen berücksichtigt werden
Die Angabe eines geschätzten Streitwertes bei Einreichung der Klage habe oftmals nur den Zweck, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu begründen.
Um zu ermitteln, welche „realistischen Erwartungen“ sich der Kläger im konkreten Fall machen durfte, sei es daher gerechtfertigt, auf die Erkenntnisse im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abzustellen.
Nachdem zum Nachlass auch ein sehr werthaltiges Grundstück gehörte, hielt es das OLG vor diesem Hintergrund für angemessen, den Streitwert auf einen Betrag in Höhe von 230.000 Euro festzusetzen.
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