Streit um das Testament – Verjährt in der Zwischenzeit der Pflichtteil?
- Streit über die Wirksamkeit eines Testaments kann Jahre dauern
- Der Pflichtteil verjährt in drei Jahren
- Muss der Pflichtteilsberechtigte die Verjährung seines Anspruchs befürchten?
Über erbrechtliche Ansprüche kann man sich auf verschiedenen Ebenen und manchmal auch über Jahre hinweg streiten.
So bricht unmittelbar nach einem Erbfall oft eine Auseinandersetzung über die Frage aus, ob ein Testament wirksam ist oder nicht.
Diejenigen, die im Testament bedacht wurden, haben an der Wirksamkeit des letzten Willens regelmäßig auch nicht ansatzweise Zweifel.
Ist das Testament echt und war der Erblasser testierfähig?
Dahingegen bezweifeln diejenigen Betroffenen, denen keine Zuwendung gemacht wurde oder die von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, ebenso regelmäßig die Echtheit des Testaments und genauso die Testierfähigkeit des Erblassers.
Zweifel rund um die Echtheit eines Testaments oder die Testierfähigkeit des Erblassers können in aufwändigen Gerichtsverfahren und mit Hilfe von Gutachten geklärt werden.
Solche gerichtlichen Verfahren können aber enorm viel Zeit in Anspruch nehmen.
Wenn man die anstehenden Fragen zum Testament beispielsweise erst vor dem Nachlassgericht und anschließend in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht hat klären lassen, dann können im Einzelfall durchaus einmal drei bis vier Jahre ins Land gehen.
Verjährungsproblem für den Pflichtteilsberechtigten
Stellt sich am Ende des mehrjährigen Verfahrens dann heraus, dass das Testament wirksam ist, dann haben beteiligte Pflichtteilsberechtigte, die in dem – wirksamen – Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, möglicherweise ein Verjährungsproblem.
Der Pflichtteilsanspruch verjährt nämlich in drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, §§ 195, 199 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Die Verjährung des Pflichtteils beginnt also regelmäßig am Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall, seiner Enterbung und der Person des Erben Kenntnis erlangt hat.
Pflichtteil verjährt während des Streits um das Testament
Bei einem ausgewachsenen Streit über die Wirksamkeit eines Testaments kann es nach diesen Grundsätzen passieren, dass der Pflichtteil verjährt, ohne dass einer der Beteiligten das Thema Pflichtteil auch nur angeschnitten hat.
Beispiel:
Der Erblasser ist im November 2019 verstorben und hat in seinem Testament das Kind A als Alleinerben eingesetzt und das Kind B enterbt.
Kind A und Kind B streiten vor Gericht über die Wirksamkeit des Testaments. Der Streit wird im Januar 2023 zugunsten von Kind A entschieden.
Kind B fordert jetzt von Kind A seinen Pflichtteil und wird mit dem Einwand konfrontiert, dass der Pflichtteil zum Ende des Jahres 2022 der Verjährung unterliegt.
Ganz so einfach macht es die Rechtsprechung dem Erben in einer solchen Situation aber nicht, den Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten zu entkommen.
Wann hatte der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Inhalt des Testaments?
Die für den Beginn der Verjährung zwingend notwendige Kenntnis des Inhalts des Testaments wird von den Gerichten in solchen Fällen nämlich verneint, wenn die Wirksamkeitsbedenken gegen das Testament nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.
Berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments schließen mithin nach der Rechtsprechung die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis vom Inhalt des Testaments aus.
Spannend ist aber immer die Frage, wann denn der Pflichtteilsberechtigte im konkreten Fall keine berechtigten Zweifel mehr an seiner Enterbung haben durfte und damit die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat.
Die „Schonzeit“ für den Pflichtteilsberechtigten dürfte jedenfalls mit Abschluss einer Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren zu Ende sein.
Wenn die Beweisaufnahme vor Gericht mithin ergibt, dass das Testament und damit auch die Enterbung wirksam sind, dann sollte der Pflichtteilsberechtigte schleunigst seinen Pflichtteil geltend machen.
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