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Pflichtteil – Wie muss ein notarielles Nachlassverzeichnis aussehen?

Von: Dr. Georg Weißenfels

LG Bielefeld – Teilurteil vom 16.01.2019 – 3 O 138/18

  • Erbin ergänzt das Nachlassverzeichnis auf Nachfrage immer wieder
  • Auch ein notarielles Nachlassverzeichnis ist unvollständig
  • Gericht verurteilt die Erbin, ein vollständiges Nachlassverzeichnis vorzulegen

In einer lesenswerten Entscheidung hatte das Landgericht Bielefeld über den notwendigen Inhalt eines notariellen Nachlassverzeichnisses bei einem Pflichtteilsstreit zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte der Erblasser mit notariellem Testament seine Ehefrau als alleinige Erbin eingesetzt.

Die gemeinsame Tochter der Eheleute war mit dieser Entscheidung von der Erbfolge ausgeschlossen und nach dem Tod ihres Vaters pflichtteilsberechtigt.

Tochter fordert von ihrer Mutter den Pflichtteil

Die Tochter machte nach dem Erbfall ihren Pflichtteil gegenüber ihrer Mutter geltend und forderte ihre Mutter als alleinige Erbin auf, über den Nachlass des Erblassers Auskunft zu geben.

Auf diese Aufforderung hin reagierte die Mutter eher ungeschickt. Sie ließ ihrer Tochter eine Bestandsauflistung des Nachlasses zukommen und ergänzte diese Auflistung dann aber auf Nachfrage der Tochter hin Anfang 2017 binnen weniger Monate insgesamt dreimal.

Am 16.05.2017 berechnete der Anwalt der Mutter dann in einem Schreiben den Pflichtteilsanspruch der Tochter.

Tochter akzeptiert die Abrechnung „ohne jedes Präjudiz“

Hierzu teilte der Anwalt der Tochter mit, dass diese Abrechnung „grundsätzlich akzeptiert“ würde, die Festlegung des Abschlagsbetrages aber „ohne jedwedes Präjudiz“ erfolge.

In der Folge forderte die Tochter bei ihrer Mutter ein notarielles Nachlassverzeichnis über den Nachlass des Erblassers an.

Dieses notarielle Nachlassverzeichnis wurde schließlich am 18.08.2017 vorgelegt.

Notarielles Nachlassverzeichnis enthält Lücken

Der pflichtteilsberechtigten Tochter erschien aber auch dieses von einem Notar erstellte Nachlassverzeichnis als lückenhaft und sie forderte ihre Mutter auf, das notarielle Nachlassverzeichnis zu ergänzen.

Daraufhin erreichte die Tochter ein als „Eigenurkunde“ bezeichnetes Schriftstück, das von dem Notar erstellt wurde.

Die Tochter hatte nach dieser Wendung offenbar genug von der Taktik ihrer Mutter und sie verklagte ihre Mutter auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Auskunftsanspruch der Pflichtteilsberechtigten ist nicht erfüllt

Die Tochter vertrat dabei die Auffassung, dass ihr Anspruch auf Vorlage eines solchen notariellen Nachlassverzeichnisses durch die bisher von ihrer Mutter vorgelegten Unterlagen nicht erfüllt sei.

Die Mutter verteidigte sich gegen die Klage mit dem Hinweis, dass sie ihre Verpflichtungen vollumfänglich erfüllt habe und das Verhalten ihrer Tochter als Schikane zu betrachten sei.

Das Landgericht gab der Klage der Tochter statt und verurteilte die Mutter zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Gericht gibt der Klage der Tochter statt

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, dass das vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis auch unter Berücksichtigung der nachgeschobenen „Eigenurkunde“ des Notars nicht geeignet sei, den Anspruch der Pflichtteilsberechtigten zu erfüllen.

Ein vollständiges – notarielles wie auch privates – Nachlassverzeichnis setze voraus, so das Gericht, dass der Erbe „klar und eindeutig zum Ausdruck“ bringt, „dass die erteilten Auskünfte nach seinem Kenntnisstand vollständig sind, nachdem er sich Kenntnisse, soweit zumutbar, verschafft hat“.

Vor diesem Hintergrund hatte das Gericht keine Zweifel daran, dass das vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis unvollständig und lückenhaft war.

Notarielles Nachlassverzeichnis ist grob lückenhaft

So fehlten in dem Verzeichnis Aussagen zu Inventar und Hausrat, Angaben zu Anstandsschenkungen des Erblassers waren unvollständig und Angaben zu einem dem Erblasser zustehenden Erbbaurecht waren nicht vorhanden.

Auch die weiteren Einwände der Erbin konnten das Gericht nicht überzeugen.

Insbesondere stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht das vorprozessuale Verhalten der Klägerin bzw. ihres Anwalts entgegen und ebenfalls sei die Forderung der Tochter nicht schikanös.

Im Ergebnis musste die Mutter nach diesem Urteil nochmals den Notar bemühen und diesen mit der Erstellung eines – dieses Mal hoffentlich vollständigen – Nachlassverzeichnisses beauftragen.

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