Der Erblasser hatte eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine Bürgschaft gestellt – Wie wirkt sich das auf den Pflichtteilsanspruch aus?
Verstirbt eine Person, dann sind deren wirtschaftliche Angelegenheiten oft nicht abschließend geregelt. Es ist vor diesem Hintergrund manchmal schwierig, den für die Höhe des Pflichtteilanspruchs grundlegenden Nachlasswert punktgenau festzustellen.
Solche Bewertungsschwierigkeiten lassen sich gut anhand von Kreditsicherheiten veranschaulichen, die der Erblasser noch zu Lebzeiten übernommen hatte. Eine vom Erblasser gestellte Bürgschaft, eine Hypothek oder eine Grundschuld stellen für den Erben selbst dann eine Belastung dar, wenn die Sicherheiten noch gar nicht der Verwertung zugeführt worden sind. Der Erbe, der mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert wird, hat daher grundsätzlich ein Interesse an der Berücksichtigung dieser Belastungen im Rahmen der Ermittlung des Nachlasswertes.
Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, dass die vom Erblasser gestellten Kreditsicherheiten vielleicht nie in Anspruch genommen werden oder bereits erloschen sind. Eine Bürgschaft erlischt in dem Moment, in dem die mit der Bürgschaft gesicherte Forderung erfüllt ist. Dasselbe gilt für eine Hypothek. Eine Grundschuld kann im Grundbuch noch in beträchtlicher Höhe auf einer Immobilie lasten, die zu sichernde Forderung der Bank aber gleichzeitig bereits seit Jahren erloschen oder zumindest erheblich reduziert sein.
In Anbetracht solcher Unwägbarkeiten muss bei der Ermittlung des Nachlasswertes im Rahmen der Pflichtteilsberechnung bei Existenz von vom Erblasser gestellten Kreditsicherheiten wie folgt unterschieden werden:
Erblasser stellt Kreditsicherheit für eigene Verbindlichkeit
Hat der Erblasser die Hypothek oder die Grundschuld als Sicherheit für einen eigenen Kredit gestellt, so haben es Erben und Pflichtteilsberechtigte noch relativ einfach: Soweit die Forderung des Dritten (meist der Bank), für die die Sicherheit gestellt wurde, noch existiert, mindert dieser Schuldbetrag auch den Nachlasswert.
Beispiel: Der Erblasser hat einen Kredit über eine Million Euro aufgenommen und hat der Bank für diesen Kredit als Sicherheit an seinem Grundstück eine Hypothek oder eine Grundschuld in Höhe einer Million gestellt. Zu Lebzeiten hat der Erblasser bereits 200.000 Euro zurückbezahlt. Hypothek bzw. Grundschuld „valutieren“ also am Todestag noch in Höhe von 800.000 Euro. Dieser Betrag muss vom Nachlasswert mindernd in Abzug gebracht werden. Der Pflichtteilsanspruch vermindert sich entsprechend.
Erblasser stellt Kreditsicherheit für fremde Verbindlichkeit
Kniffeliger ist die Rechtslage, wenn der Erblasser eine Sicherheit für eine fremde Schuld gestellt hat.
Beispiel: Ein Freund des Erblassers hat einen Kredit in Höhe einer Million bei einer Bank aufgenommen. Für diesen Kredit hat der Erblasser eine Bürgschaft in Höhe eines Betrages von einer Million gestellt. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers hat der Freund des Erblassers noch keinen Euro an die kreditgebende Bank zurückgezahlt.
In diesem Fall gilt folgendes: Die Verpflichtung aus der Bürgschaft geht auf den Erben über. Die vom Erblasser zu Lebzeiten übernommene Kreditsicherheit erlischt also nicht etwa mit dem Tod des Erblassers. Ob der Erbe als Bürge allerdings je von der Bank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wird, steht in den Sternen. So kann es gut sein, dass der Freund des Erblassers seinen Verpflichtungen gegenüber der Bank in vollem Umfang nachkommt, das Sicherungsmittel Bürgschaft also nie zum Einsatz kommt. In diesem Fall wäre es ungerecht, wenn der Erbe den Nachlasswert um den Wert der Bürgschaft mindern könnte, da eine Schmälerung des Nachlasses ja tatsächlich nie eintritt.
Das Gesetz hat diese Problemstellung in § 2313 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Danach bleiben so genannte „zweifelhafte Verbindlichkeiten“, also solche, bei denen weder Erbe noch Pflichtteilsberechtigter wissen, ob sie sich je realisieren, bei der Feststellung des Nachlasswertes außer Betracht. Solange also nicht geklärt ist, ob und in welcher Höhe eine vom Erblasser gestellte Kreditsicherheit in Anspruch genommen wird, bleibt sie bei der Pflichtteilsermittlung zunächst außer Betracht.
Der Erbe ist nach § 2313 Abs. 2 BGB verpflichtet, für die Feststellung einer ungewissen Verbindlichkeit zu sorgen, soweit dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbschaft entspricht. Der Erbe muss also, soweit ihm dies möglich ist, Klarheit über die Frage schaffen, ob und welcher Höhe die ungewisse Verbindlichkeit zukünftig realisiert wird.
Bei einer im Nachlass befindlichen vom Erblasser gestellten Bürgschaft kann es für den Erben ratsam sein, die Bürgschaft gegenüber dem Sicherungsnehmer zu kündigen und auf diesem Weg seine Haftung auf den Zeitpunkt der Kündigung zu beschränken.
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