Notarielles Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil ist unvollständig – Dem Erben droht Gefängnis!
OLG München – Beschluss vom 09.08.2021 – 33 W 775/21
- Erbin legt ein unvollständiges notarielles Nachlassverzeichnis vor
- Pflichtteilsberechtigter beantragt gegen die Erbin Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft
- OLG billigt die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Erbin
Das Oberlandesgericht München hatte in einem Pflichtteilsstreit über die Folgen eines unvollständigen notariellen Nachlassverzeichnisses zu entscheiden.
In der Angelegenheit war der Erblasser am 10.08.2016 verstorben.
Nach dem Erbfall hatte ein Pflichtteilsberechtigter eine Erbin auf Vorlage eines von einem Notar erstellten Nachlassverzeichnises verklagt.
Erbin erkennt den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten an
Die Erbin hatte diesen Anspruch vor Gericht anerkannt und vom Gericht wurde ein entsprechendes Anerkenntnisurteil erlassen.
In der Folge übermittelte die Erbin dem Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis.
Dieses notarielle Nachlassverzeichnis hielt der Pflichtteilsberechtigte aber für grob mangelhaft.
Notarielles Nachlassverzeichnis wird in mehreren Punkten kritisiert
Der Pflichtteilsberechtigte monierte an dem vorliegenden Nachlassverzeichnis insbesondere drei Punkte:
Zum einen hätte der Notar keinerlei eigene Ermittlungen zu einem im Nachlass befindlichen Oder-Bankkonto des Erblassers angestellt, auf das auch die Erbin Zugriff gehabt habe.
Weiter bemängelte der Pflichtteilsberechtigte, dass das Nachlassverzeichnis keine Angaben zu einer Lebensversicherung des Erblassers enthalte.
Schließlich kritisierte der Pflichtteilsberechtigte, dass er bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses vom Notar nicht persönlich hinzugezogen worden sei.
Notarielles Nachlassverzeichnis ist nicht erfüllungstauglich
In Anbetracht dieser Mängel sei, so der Pflichtteilsberechtigte, das von der Erbin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis gar nicht erfüllungstauglich.
Der Pflichtteilsberechtigte machte sich vor diesem Hintergrund daran, seinen in dem gerichtlichen Anerkenntnisurteil festgestellten Anspruch auf ein ordentliches Nachlassverzeichnis zu vollstrecken.
Er beantragte daher bei Gericht, gegen die Erbin ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft anzuordnen.
Landgericht erlässt einen Zwangsgeldbeschluss
Das Landgericht entsprach dem Antrag des Pflichtteilsberechtigten und erließ den beantragten Beschluss.
Diesen Beschluss des Landgerichts wollte die Erbin aber nicht akzeptieren und legte Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG hielt die Entscheidung des Landgerichts aber im Ergebnis für zutreffend, änderte den Tenor der Entscheidung aber wie folgt ab:
„Gegen die Erbin wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise je 250,00 € ein Tag Zwangshaft angeordnet, wenn die Schuldnerin nicht binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses … Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 10.08.2016 verstorbenen G. A. zum Zeitpunkt seines Todes erteilt, und zwar durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses über sämtliche ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren zu seinen Lebzeiten getätigt hat …“
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG allerdings darauf hin, dass zwei der drei Punkte, auf die das Landgericht seine Entscheidung gestützt hatte, die Anordnung des Zwangsgeldes nicht rechtfertigen würden.
Der Erblasser hatte gar keine Lebensversicherung abgeschlossen
Zum einen seien durch den Notar nämlich keine Feststellungen zu der angeblichen Lebensversicherung des Erblassers veranlasst, da es sich bei der Versicherung gar nicht um eine Lebens-, sondern um eine Rentenversicherung gehandelt habe.
Weiter könne die Festsetzung des Zwangsgeldes nicht darauf gestützt werden, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen wurde.
Hierzu wäre grundlegende Voraussetzung, dass die Verpflichtung zur Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten in dem zu vollstreckenden Urteil ausgewiesen sei. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.
Notar muss die Ermittlungen zu den Nachlasskonten nachbessern
Das OLG teilte aber die Auffassung des Landgerichts, dass zu den Konten des Erblassers in dem vorliegenden notariellen Nachlassverzeichnis nicht ausreichend Auskunft erteilt worden sei.
Nach Rechtsprechung des BGH erwerbe nämlich alleine durch die Errichtung eines Oder-Kontos ein Mitkontoinhaber als Beschenkter bereits zu Lebzeiten den hälftigen Anteil des Sparguthabens.
In diesem Zusammenhang hätte der Notar also in jedem Fall der Frage nachgehen müssen, ob pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen vorliegen.
Nachdem das Nachlassverzeichnis diesen Punkt aber offenbar unbeantwortet ließ, war auch die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Erbin gerechtfertigt.
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