Das Familienheim bei der Pflichtteilsergänzung – Wer hat den Familienwohnsitz finanziert?
- Selbstgenutztes Familienheim kann sich auf den Pflichtteil auswirken
- Hat ein Ehepartner dem anderen etwas geschenkt?
- Bei einem gemeinsamen Darlehen können Zins und Tilgung für den Pflichtteil relevant werden
Pflichtteilsprozesse sind häufig emotional extrem aufgeladen.
In aller Regel machen bei einem Pflichtteilsstreit nächste Familienangehörige Zahlungsansprüche gegeneinander geltend.
Besonderen Zündstoff birgt eine solche Auseinandersetzung auch aufgrund des Umstandes, dass für die Bemessung der Höhe des Pflichtteils nicht nur das im Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandene Vermögen des Erblassers relevant ist.
Lebzeitige Schenkungen beeinflussen den Pflichtteil
Vielmehr enthält § 2325 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eine Regelung, die sich mit Schenkungen beschäftigt, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat.
Insbesondere solche Schenkungen, die der Erblasser während der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall gemacht hat, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Einfluss auf den Pflichtteil haben.
Jede Schenkung des Erblassers, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor dem Erbfall erfolgt ist, führt grundsätzlich zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch und erhöht den Wert des Pflichtteils.
Auch die Vergangenheit ist für den Pflichtteil relevant
Pflichtteilsberechtigte und Erben müssen sich daher bei einem Pflichtteilsstreit nicht nur mit der Gegenwart und dem zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Vermögen des Erblassers beschäftigen, sondern müssen auch die Vergangenheit und pflichtteilsrelevante Schenkungen des Erblassers im Auge behalten.
Immer wieder streitig werden in diesem Zusammenhang lebzeitige Leistungen des Erblassers rund um das von ihm und seiner Familie bewohnte Eigenheim.
Hier kann es in verschiedenen Konstellationen zu erheblichem Klärungsbedarf in Bezug auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch kommen.
BGH klärt rechtliche Grundsatzfragen
Einen in der Praxis immer wieder auftretenden Fall hatte in diesem Zusammenhang der Bundesgerichtshof im Jahr 2018 zu klären (BGH, Urteil vom 14.03.2018 - IV ZR 170/16).
In dem vom BGH entschiedenen Fall war ein Familienvater verstorben und hatte seine zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt.
Die beiden Söhne des Erblassers aus erster Ehe machten Pflichtteils- und insbesondere Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Erbin geltend.
Das Familienheim löst Streit aus
Im Zentrum des Streits vor dem BGH stand ein von der Familie bewohntes Einfamilienhaus.
Diese Immobilie wurde auf einem Grundstück errichtet, das im Alleineigentum des Erblassers stand.
Der Bau der Immobilie wurde mithilfe eines Bankdarlehens errichtet, das der Erblasser gemeinsam mit seiner Ehefrau aufnahm.
Eheleute nehmen gemeinsam ein Bankdarlehen auf
Das Bankdarlehen war durch eine Grundschuld an dem fraglichen Grundstück gesichert.
Nach Fertigstellung der Immobilie übertrug der Erblasser einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf seine Ehefrau.
In der Folge wurde das Darlehen, das von den Eheleuten gemeinsam aufgenommen worden war, alleine vom Erblasser bedient.
Alleine der Ehemann bedient das Darlehen
Von dem Erblasser waren dabei bis zu seinem Ableben Tilgungsleistungen in Gesamthöhe von 19.699,70 Euro und Zinszahlungen von 112.666,12 Euro erbracht worden.
Der gerichtliche Streit zwischen Erbin und den pflichtteilsberechtigten Söhnen ging durch drei Instanzen. Am Ende hob der BGH das Berufungsurteil des OLG auf und verwies die Angelegenheit zurück zum Oberlandesgericht.
Der BGH untersuchte dabei in dem Fall das Vorliegen einer pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkung in dreierlei Hinsicht:
Übertragung der Grundstückshälfte wirkt sich auf den Pflichtteil aus
Eine ergänzungspflichtige Schenkung vom Erblasser an seine Ehefrau wurde, wie auch schon vom OLG, in Bezug auf die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils vom Erblasser auf seine Ehefrau bejaht.
Eine Schenkung bejahte der BGH in diesem Zusammenhang, da die Übertragung der Grundstückshälfte nicht in
„Erfüllung eines Anspruchs der Beklagten gegenüber dem Erblasser auf Alterssicherung geschuldet gewesen (sei) noch … der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste gedient (habe).“
Auch die von dem Erblasser erbrachten Tilgungsleistungen erkannte der BGH grundsätzlich hälftig als pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung an.
Tilgung wurde bereits bei der Wertermittlung berücksichtigt
Im Ergebnis wirkten sich die Tilgungsleistungen aber nicht auf den Pflichtteil aus, da sich die Tilgungsleistungen bereits bei der Ermittlung des Grundstückswertes ausgewirkt hätten.
Im Gegensatz zum Berufungsgericht sah der BGH aber auch die vom Erblasser geleisteten Zinszahlungen als möglicherweise relevant für die Pflichtteilsergänzung an.
Nachdem Ehemann und Ehefrau seinerzeit das Darlehen gemeinsam bei der Bank aufgenommen hatten, würden sie auch für die Zinszahlungen als so genannte Gesamtschuldner haften.
Den Zinszahlungen kann eine Schenkung zugrunde liegen
Nachdem die Zinszahlungen aber alleine vom Ehemann erbracht wurden, könne hierin durchaus eine berücksichtigungsfähige Schenkung des Erblassers an seine Ehefrau liegen.
Klärungsbedarf sah der BGH aber noch hinsichtlich der Frage, ob den Zinszahlungen des Erblassers tatsächlich eine Schenkung zugrunde lag oder ob die Zinszahlung
„etwa unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ob ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete, konkrete Gegenleistung gegenübersteht oder nicht.“
Nach dieser Klarstellung verwies der BGH die Angelegenheit zur weiteren Aufklärung zurück an das Oberlandesgericht.
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