Pflichtteilsanspruch steht im Raum – Muss der Erbe aktiv werden?
- Der Pflichtteil muss vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden
- Der Erbe kann warten, bis der Pflichtteilsberechtigte auf ihn zukommt
- Der Erbe kann ein Interesse daran haben, selber aktiv zu werden
Immer wenn ein Erblasser nächste Familienangehörige von der Erbfolge ausgeschlossen hat, stehen Pflichtteilsansprüche im Raum.
Sieht ein Testament beispielsweise vor, dass ein Ehepartner oder eines der Kinder des Erblassers enterbt werden sollen, dann kann sich der betroffene Ehepartner bzw. das betroffene Kind des Erblassers nach § 2303 BGB beim Erben melden und seine Mindestbeteiligung am Nachlass in Form des Pflichtteils einfordern.
Der Erbe kann dabei davon ausgehen, dass das von der Enterbung betroffene Familienmitglied mit der Testamentseröffnung von dem Umstand erfährt, dass der Erblasser die Entscheidung getroffen hat, ihn zu enterben.
Pflichtteilsberechtigter erfährt von seiner Enterbung
Regelmäßig wird der Enterbte im Rahmen der Testamentseröffnung auch vom Nachlassgericht darüber informiert, dass ihm gegebenenfalls ein Pflichtteilsanspruch zusteht.
In dieser Situation ist es für den Erben wichtig zu wissen, dass er nicht verpflichtet ist, auf den Pflichtteilsberechtigten zuzugehen, um ein Klärung des Pflichtteilanspruchs herbeizuführen.
Dem Grunde nach kann der Erbe also abwarten, was passiert.
Pflichtteil verjährt in drei Jahren
Es ist alleine Aufgabe des Pflichtteilberechtigten, seinen Anspruch bei dem Erben anzumelden und nötigenfalls auch durchzusetzen.
Lässt sich der Pflichtteilsberechtigte mit der Durchsetzung seines Anspruchs aber zu lange Zeit, dann tritt gegebenenfalls Verjährung ein und der Erbe ist dann berechtigt, die Erfüllung des Pflichtteils zu verweigern.
Ein Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren ab Eintritt des Erbfalls und Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von seiner Enterbung.
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt am Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsanspruch entstanden ist.
Wann sollte der Erbe aktiv werden?
Auch wenn es grundsätzlich Sache des Pflichtteilsberechtigten ist, seinen Anspruch zu verfolgen, kann es aber manchmal auch im Interesse des Erben sein, von sich aus auf den Pflichtteilsberechtigten zuzugehen.
Dem Pflichtteilsberechtigten steht nämlich gegen den Erben nicht nur ein Zahlungsanspruch in Höhe des Wertes der Hälfte des gesetzlichen Erbteils des Enterbten zu.
Vielmehr beginnt ein Pflichtteilsstreit in aller Regel damit, dass der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB gegen den Erben geltend macht.
Wird dieser Auskunftsanspruch vom Pflichtteilsberechtigten erhoben, dann muss der Erbe ein Verzeichnis über den kompletten Nachlass erstellen und dieses Verzeichnis dem Pflichtteilsberechtigten aushändigen.
Der Erbe schuldet ein komplettes Nachlassverzeichnis
Nach der Rechtsprechung hat ein solches Nachlassverzeichnis sämtliche Aktiva des Nachlasses zu erfassen.
Dem Grunde nach ist der Erbe demnach verpflichtet, nicht nur werthaltige Nachlassgegenstände, sondern auch den kompletten Hausrat und die Kleidung des Erblassers in diesem Verzeichnis aufzulisten.
In aller Regel ist der Erbe aber bemüht, den ihm hinterlassenen Nachlass zeitnah abzuwickeln.
Insbesondere Nachlassgegenstände, die keinen Wert haben, werden nur allzu oft unmittelbar nach dem Erbfall vom Erben weggegeben oder entsorgt.
Nachlass sollte in seinem Bestand erfasst werden
Will der Erbe hier im Hinblick auf seine Pflicht, dem Pflichtteilsberechtigten umfassend Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, nicht in Schwierigkeiten geraten, so ist es empfehlenswert, vor Weggabe oder Vernichtung von Nachlassgegenständen Beweise zu sichern, um gegebenenfalls der Auskunftspflicht vollumfänglich nachkommen zu können.
Manchmal kann man das Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten auch dadurch entspannen, indem der Erbe anbietet, dass der Pflichtteilsberechtigte jederzeit bei der Auflösung des Haushalts des Erblassers teilnehmen und, soweit gewünscht, auch Erinnerungsstücke mitnehmen kann.
Auch kann man in diesem Fall dem Pflichtteilsberechtigten anbieten, dass sein (auf Geld gerichteter) Pflichtteilsanspruch dadurch abgegolten wird, indem ihm bestimmte Nachlassgegenstände zu alleinigem Eigentum überlassen werden.
Proaktives Handeln des Erben kann sich lohnen
Zu solchen Angeboten ist der Erbe rechtlich nicht verpflichtet.
Zuweilen dürfte es aber die Situation deutlich entschärfen, wenn der Erbe bereits vor einem entsprechenden Anspruchschreiben des Pflichtteilsberechtigten aktiv wird.
Wenn der Erbe die Initiative ergreift, muss er jedenfalls nicht drei Jahre lang gespannt darauf warten, ob der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch verjähren lässt.
Und ein weiterer Grund kann den Erben dazu veranlassen, seinerseits aktiv auf den Pflichtteilsberechtigten zuzugehen.
Der Pflichtteil mindert die Erbschaftsteuer
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG können geltend gemachte Pflichtteilsansprüche bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit den steuerpflichtigen Erwerb des Erben mindern.
Soweit aber der Pflichtteil gar nicht geltend gemacht ist, entsteht natürlich auch keine abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit.
Auch aus steuerlichen Gründen kann dem Erben also daran gelegen sein, sich alsbald nach dem Erbfall Klarheit über die Pläne des Pflichtteilsberechtigten zu verschaffen.
Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.
Das könnte Sie auch interessieren:
Strategien für den Erben im Pflichtteilsstreit
Wann muss kein Pflichtteil bezahlt werden?
Was darf der Erbe bei der Berechnung des Pflichtteils abziehen?
Über 1.000 aktuelle Entscheidungen der Gerichte zum Erbrecht