Komplett enterbt und von der Erbfolge ausgeschlossen? Eine gerichtliche Klärung ist noch zu Lebzeiten des Erblassers möglich!
- Ist der Entzug des Pflichtteils angeordnet, geht der Betroffene komplett leer aus
- Pflichtteil kann nur in bestimmten Fällen entzogen werden
- Betroffener kann noch zu Lebzeiten des Erblassers vor Gericht klären lassen, ob Gründe für einen Pflichtteilsentzug vorliegen
Das deutsche Erbrecht sieht vor, dass der Erblasser nach eigenem Gutdünken darüber entscheiden kann, wer nach dem Eintritt des Erbfalls sein Vermögen erhalten soll.
Die von der Verfassung garantierte Testierfreiheit ermöglicht es jedem Erblasser, durch ein Testament oder einen Erbvertrag auch nächste Familienangehörige von der Erbfolge auszuschließen.
Kinder, Enkel oder auch der Ehepartner des Erblassers können danach nie mit Gewissheit davon ausgehen, den Erblasser nach seinem Tod zu beerben.
Einem enterbten engen Familienmitglied bleibt in der Regel der Pflichtteil
So es dem Erblasser gefällt, geht die Erbschaft an seinen Familienmitgliedern vorbei.
Wenn ein nahes Familienmitglied vom Erblasser in dessen Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, dann bleibt dem so Enterbten oft noch sein Pflichtteilsrecht.
Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel), der Ehepartner und unter Umständen sogar die Eltern des Erblassers können im Falle ihrer Enterbung regelmäßig den Pflichtteil als gesetzlich garantierten Erbersatzanspruch einfordern.
Ist im Testament die Entziehung des Pflichtteils angeordnet?
Kritisch wird es für das grundsätzlich pflichtteilsberechtigte Familienmitglied des Erblassers aber in den Fällen, in denen der Erblasser in seinem letzten Willen ausdrücklich angeordnet hat, dass das betroffene Familienmitglied nicht nur nichts erben soll, sondern ihm auch der Pflichtteil entzogen wird.
Durch eine – wirksame – Entziehung des Pflichtteils erhält der Betroffene nach dem Ableben des Erblassers gar nichts mehr von dem Vermögen des Erblassers.
Eine solche „Höchststrafe“ kann der Erblasser natürlich nicht willkürlich und grundlos verhängen.
Vielmehr sieht § 2333 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) einen abschließenden Katalog von Gründen vor, die eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen.
Wann kann der Pflichtteil entzogen werden?
So kann der Pflichtteil zum Beispiel wirksam entzogen werden, wenn der Betroffene dem Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person nach dem Leben getrachtet hat, wenn sich der Betroffene eines Verbrechens gegen den Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person schuldig gemacht hat oder wenn der Betroffene wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde und eine Teilhabe des Betroffenen am Nachlass vor diesem Hintergrund für den Erblasser unzumutbar wäre.
Wenngleich sich die in § 2333 BGB aufgeführten Pflichtteilsentziehungsgründe relativ unmissverständlich anhören, so kann im Einzelfall doch ergiebig über die Frage gestritten werden, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.
Häufig wird die Entziehung des Pflichtteils auch dadurch erschwert, als § 2337 BGB vorsieht, dass der Pflichtteil dann nicht mehr wirksam entzogen werden kann, wenn der Erblasser dem Betroffenen seine Tat nachfolgend verziehen hat:
„Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt durch Verzeihung. Eine Verfügung, durch die der Erblasser die Entziehung angeordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam.“
Wenn der Erblasser einem nahen Familienmitglied wirksam den Pflichtteil entziehen will, dann muss er in seinem Testament bzw. in einem Erbvertrag die Gründe für den Entzug möglichst detailliert angeben, § 2336 Abs. 2 BGB.
Klärung der Fakten nach dem Tod des Erblassers ist oft mühsam
Ob das, was der Erblasser in seinem letzten Willen niedergeschrieben hat, auch tatsächlich zutrifft, kann nach dem Eintritt des Erbfalls – meist mühsam – in einem Gerichtsverfahren geklärt werden.
Solche Prozesse leiden in aller Regel unter Umstand, dass der Erblasser als die Hauptperson, der ja den Pflichtteilsentzug angeordnet hat, nach seinem Tod zu den näheren Umständen nicht mehr befragt werden kann.
BGH: Feststellungsklage zu Lebzeiten des Erblassers ist zulässig
Vor allem dieses Beweisproblem hat dann auch den Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 (BGH, Urteil vom 10. März 2004, IV ZR 123/03) dazu veranlasst, einem betroffenen Pflichtteilsberechtigten das Recht zuzubilligen, noch zu Lebzeiten des Erblassers gerichtlich klären zu lassen, ob der vom Erblasser angeordnete Entzug des Pflichtteils tragfähig ist oder nicht.
Bekommt der von der Enterbung Betroffene also Wind von dem Inhalt des Testaments und seiner kompletten Enterbung, dann kann er bei Gericht den Antrag auf Feststellung anbringen, dass der Erblasser nicht berechtigt ist, ihm wegen der im letzten Willen dargestellten Sachverhalte den Pflichtteil zu entziehen.
Eine solche so genannte Feststellungsklage hat der BGH in der Entscheidung ausdrücklich als in aller Regel zulässig bezeichnet.
Ohne Kenntnis des genauen Testamentsinhalts wird sich der Betroffene allerdings regelmäßig schwer tun, eine solche Feststellungsklage zu erheben.
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