Kein Honorar für den Anwalt bei falscher Beratung zum Pflichtteil
LG Aurich – Urteil vom 11.01.2019 – 4 S 134/18
- Anwalt verkennt den beginn der Verjährung des Pflichtteils und rät von Klage ab
- Anwalt klagt sein Honorar in Höhe von 2.349,54 Euro ein
- Mandantin rechnet erfolgreich mit Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung auf
Das Landgericht Aurich hatte über einen Honoraranspruch eines Anwalts zu entscheiden.
In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar im Jahr 2007 ein gemeinsames Testament errichtet. In diesem Testament hatten sich die Eheleute für den ersten Erbfall zu alleinigen Erben eingesetzt.
Nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners sollte das Familienvermögen, so die Bestimmungen in dem Testament, an die drei Töchter des Ehepaares zu gleichen Teilen als Schlusserben gehen.
In dem gemeinsamen Testament war festgehalten, dass dem überlebenden Ehepartner das Recht zustehen sollte, neu und abweichend von dem gemeinsamen Testament zu testieren.
Nach dem Tod des Vaters werden die Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen
Der Ehemann verstarb am 20.12.2009. Das gemeinsame Testament der Eheleute wurde daraufhin vom Nachlassgericht am 28.01.2010 eröffnet und den Töchtern des Ehepaares mit Schreiben vom 16.02.2010 übermittelt.
Mit notariellem Testament vom 31.01.2012 änderte die Mutter dann die Erbfolgeregelung und setzte zwei ihrer Töchter als Erben ein. Die dritte Tochter wurde in diesem Einzeltestament von der Erbfolge ausgeschlossen.
Am 15.04.2013 verstarb dann die Mutter.
Noch im April 2013 suchte die enterbte Tochter einen Anwalt auf und beauftragte diesen mit der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.
Pflichtteil nach dem Tod des Vaters wird verweigert
Die beiden Töchter, die als Erben eingesetzt worden waren, akzeptierten dann auch den Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester nach dem Tod der Mutter und bezahlten einen Betrag in Höhe von 21.150 Euro an diese.
Einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des im Jahr 2009 verstorbenen Vaters lehnten die Schwestern hingegen ab.
Im November 2013 teilte der Anwalt der enterbten Tochter daraufhin mit, dass die gerichtliche Durchsetzung des Pflichtteils nach dem Tod des Vaters „sehr risikobehaftet“ sei, da dieser Anspruch möglicherweise der Verjährung unterliegen würde.
Anwalt rät wegen Verjährung von Klage ab
Von einer gerichtlichen Geltendmachung ihres Pflichtteilanspruchs nach dem Tod ihres Vaters gegen ihre beiden Schwestern riet der Anwalt ab.
Im Januar 2014 wurde das Mandatsverhältnis zwischen der enterbten Tochter und dem Anwalt beendet.
In der Folge erreichte die Betroffene eine Rechnung ihres Anwalts über einen Betrag in Höhe von 2.349,54 Euro.
Nachdem die Betroffene diese Rechnung nicht bezahlen wollte, landete die Angelegenheit vor Gericht.
Bereits das Amtsgericht kürzt die Anwaltsrechnung
Vom Amtsgericht wurde die Rechnung des Anwalts bereits um einen Betrag in Höhe von 1.153,11 Euro für eine zu Unrecht abgerechnete Einigungsgebühr gekürzt.
Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung der Betroffenen, die mit Hinweis auf eine Pflichtverletzung des Anwalts gar nichts bezahlen wollte.
Das Landgericht hielt diese Berufung auch für vollumfänglich begründet und wies die Honorarklage des Anwalts zur Gänze ab.
Das Landgericht wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass ein Anwalt seinem Mandanten immer denjenigen Weg vorzuschlagen hat, „der die größte Sicherheit der Zielerreichung verspricht, um vermeidbare Nachteile zu vermeiden.“
Anwalt muss sicheren Weg wählen
Diesem Gebot sei der Anwalt aber im zu entscheidenden Fall nicht nachgekommen. Vielmehr habe der Anwalt seine Mandantin zur Frage der Verjährung ihres Pflichtteils fehlerhaft beraten.
Maßgeblich für den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist sei nämlich die Kenntnis der Tochter über die Frage, ob ihre Mutter nach dem Tod des Vaters ihre Erbschaft annimmt oder ausschlägt.
In Anbetracht der der Mutter im Jahr 2009 zustehenden sechswöchigen Ausschlagungsfrist und einer Übersendung des Testaments an die Mutter am 16.02.2010, begann die Verjährung für den Pflichtteil der Tochter am 31.12.2010 und endete erst am 31.12.2013.
Mandantin erklärt Aufrechnung mit Schadensersatzanspruch
Damit stand aber auch fest, dass der Anwalt seiner Mandantin in unverjährter Zeit von einer gerichtlichen Geltendmachung ihres Anspruchs abgeraten und damit einen Kunstfehler begangen hatte.
Den Pflichtteil, den die Betroffene nach dem Tod des Vaters hätte geltend machen können, bezifferte das Gericht auf einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro.
Mit diesem Betrag hatte die Betroffene gegen die Honorarforderung des Anwalts die Aufrechnung erklärt.
Von der Honorarforderung des Anwalts blieb so am Ende nichts mehr übrig.
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