Stufenklage auf den Pflichtteil – Wer bezahlt die Kosten des Rechtsstreits bei sofortigem Anerkenntnis?
OLG Bamberg – Beschluss vom 24.03.2020 – 1 W 13/20
- Pflichtteilsberechtigter erhebt gegen den Erben eine Stufenklage
- Nach erteilter Auskunft stellt der Pflichtteilsberechtigte einen bezifferten Zahlungsantrag
- Der Erbe erkennt den Zahlungsanspruch an und will nur 20% der Verfahrenskosten bezahlen
Das Oberlandesgericht Bamberg hatte über eine sofortige Beschwerde gegen eine vom Landgericht Schweinfurt getroffene Kostenentscheidung zu urteilen.
In der Angelegenheit waren zwei Brüder nach dem Tod ihrer Mutter aneinander geraten.
Die Mutter hatte den Bruder A in ihrem letzten Willen als alleinigen Erben eingesetzt. Der Bruder B war nach dieser Entscheidung von der Erbfolge ausgeschlossen und konnte lediglich seinen Pflichtteil einfordern.
Pflichtteilsberechtigter fordert Auskunft über den Nachlass
Der pflichtteilsberechtigte Bruder forderte seinen Bruder als Alleinerben vor diesem Hintergrund mit Schreiben vom 27.03.2018 auf, ihm Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu geben und seinen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen.
Eine Reaktion des Erben auf dieses Schreiben des Pflichtteilsberechtigten erfolgte nicht.
In der Folge erhob der Pflichtteilsberechtigte daher gegen den Erben Stufenklage auf Auskunft, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung und schlussendlich Zahlung des Pflichtteils.
Der Erbe zeigte daraufhin über seinen Anwalt bei Gericht seine Verteidigungsbereitschaft an und kündigte eine Klageerwiderung an.
Erbe erteilt Auskunft über den Nachlass
Über den in erster Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruch musste dann aber vor Gericht gar nicht mehr verhandelt werden, da die vom Pflichtteilsberechtigten bei dem Erben geforderte Auskunft über den Bestand des Nachlasses vom Erben erteilt wurde.
Prozessual beerdigten die Parteien diesen Vorgang, indem sie die Auskunftsstufe übereinstimmend für erledigt erklärten.
Beide Parteien signalisierten dem Gericht aber, dass sie nicht gewillt seien, für diese erste Prozessstufe Kosten zu übernehmen.
Pflichtteilsberechtigter stellt bezifferten Klageantrag
Nachfolgend ging der Pflichtteilsberechtigte unmittelbar zur Zahlungsstufe über und beantragte basierend auf den mittlerweile vorliegenden Informationen bei Gericht, den Erben zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 44.380,44 Euro nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Erbe reagierte auf diesen Antrag mit einem sofortigen Anerkenntnis. Der Erbe erkannte ohne weiteren Widerstand an, dass er dem Pflichtteilsberechtigten einen Betrag in Höhe von 44.380,44 Euro schuldet.
Nicht anerkannt wurden vom Erben aber die vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemachten Zinsen.
Das Landgericht erlies daraufhin ein Teilanerkenntnis- und Endurteil, wonach der Erbe verpflichtet wurde, an den Pflichtteilsberechtigten einen Betrag in Höhe von 44.380,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2.154,48 Euro zu bezahlen.
Landgericht verteilt die Kostenlast im Verhältnis 20:80
In diesem Urteil verteilte das Landgericht die Verfahrenskosten jedoch im Verhältnis 20:80 zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten.
Begründet wurde diese Kostenentscheidung vom Landgericht mit dem Hinweis, dass der Erbe den Zahlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten sofort anerkannt habe, § 93 ZPO.
Der Pflichtteilsberechtigte habe den Erben nach erfolgter Auskunftserteilung nicht zur Zahlung aufgefordert. Der Erbe habe dem Pflichtteilsberechtigten damit keine Veranlassung gegeben, in dritter Stufe die Zahlungsklage zu erheben.
Sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung
Gegen diese Kostenentscheidung legte der Pflichtteilsberechtigte sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG gab der Beschwerde auch statt.
Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass die Frage, ob es sich bei einem im Rahmen einer Stufenklage abgegebenen Anerkenntnis um ein „sofortiges“ Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO handele, umstritten sei.
Zum Teil werde in Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass in jeder einzelnen Stufe zu prüfen sei, ob ein sofortiges Anerkenntnis vorliegen würde. Nach dieser Auffassung wäre die Kostenentscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
OLG stellt auf das Verhalten des Erben ab
Das OLG favorisierte aber die ebenfalls in Literatur und Rechtsprechung vertretene Gegenauffassung, wonach bei der Kostenentscheidung auf das vorprozessuale Verhalten des Beklagten abgestellt werden müsse.
Bereits dann, wenn der auskunftspflichtige Erbe trotz Aufforderung keine Auskunft erteile, so das OLG, könne er durch ein Anerkenntnis eines Zahlungsanspruchs keine für ihn günstige Kostenentscheidung herbeiführen.
Es sei nicht angezeigt, so das OLG, einem Pflichtteilsberechtigten in einem laufenden Klageverfahren abzuverlangen, an den Erben nochmals eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung zu richten.
Im Ergebnis musste die Kostenentscheidung dahingehend abgeändert werden, dass der Erbe die kompletten Kosten des Rechtsstreits und damit auch der Zahlungsstufe zu tragen hatte.
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