Ein örtlich unzuständiges Nachlassgericht darf keinen Erbschein erteilen
OLG Hamm – Beschluss vom 22.06.2017 – 15 W 111/17
- Örtlich unzuständiges Nachlassgericht will Erbschein erteilen
- OLG hebt die Entscheidung auf
- Angelegenheit wird an das zuständige Gericht verwiesen
Das Oberlandesgericht Hamm hatte über die Frage zu befinden, welche Konsequenzen es hat, wenn ein örtlich unzuständiges Nachlassgericht einen Erbschein erteilt.
In der Angelegenheit war für die spätere Erblasserin im Juli 2013 eine umfassende Betreuung eingerichtet worden.
Zu ihrem Betreuer wurde der Beteiligte zu 1) bestimmt.
Im Juni 2014 hatte die spätere Erblasserin die von ihr bisher bewohnte Eigentumswohnung verlassen und war in eine Seniorenresidenz gezogen.
Nach dem Tod der Erblasserin hatte der Beteiligte zu 1), der in dem Testament der Erblasserin vom 05.12.2013 auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden war bei dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, dass für den Ort, an dem sich die Eigentumswohnung der Erblasserin befunden hatte, zuständig war.
Einwände gegen den Erbscheinsantrag
Ein Kind des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin erhob gegen diesen Erbscheinsantrag Einwände. Er trug in dem Verfahren vor dem Nachlassgericht vor, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung ihres Testaments testierunfähig gewesen sei. Das Testament sei mithin unwirksam.
Das Nachlassgericht ging diesem Einwand mithilfe eines Sachverständigengutachtens nach und entschloss sich dann aber dafür, dass die Erblasserin im maßgeblichen Zeitpunkt nicht testierunfähig gewesen war. Die Erteilung des Erbscheins auf Grundlage des Testaments wurde vom Gericht in Aussicht gestellt.
Hiergegen legte das Kind des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. In der Beschwerdebegründung wurde vorgetragen, dass das vom Nachlassgericht eingeholte Gutachten zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin nicht überzeugend gewesen sei.
OLG hebt die Entscheidung des Nachlassgerichts auf
Die Beschwerde hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.
Das OLG begründete seine Entscheidung allerdings alleine mit der Erwägung, dass das Nachlassgericht, das den Erbschein erlassen wollte, örtlich unzuständig war.
Tatsächlich war die Erblasserin seit ihrem Umzug in die Seniorenresidenz nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Nachlassgerichts, das den Erbschein erlassen wollte.
Örtlich zuständig sei, so das OLG, dasjenige Nachlassgericht in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz hatte.
Den Wohnsitz der Erblasserin verortete das OLG aber bei der Seniorenresidenz, wo die Erblasserin seit Juni 2014 ihr neues Zuhause hatte.
Für den Ort, an dem sich die Seniorenresidenz befand, war aber ein komplett anderes Nachlassgericht zuständig. An dieses Nachlassgericht wurde die Angelegenheit verwiesen.
§ 65 Abs. 4 FamFG steht der Entscheidung nicht entgegen
Das OLG begründete dabei in seiner Entscheidung ausführlich, warum die Vorschrift des § 65 Abs. 4 FamFG einer Aufhebung der Entscheidung des örtlich unzuständigen Nachlassgerichts nicht im Wege steht.
Nach § 65 Abs. 4 FamFG gilt folgendes:
Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Diese Vorschrift sei aber, so das OLG, für den Bereich des Erbscheinverfahrens einschränkend auszulegen.
Eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift in einem Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins sei deswegen zwingend geboten, da anderenfalls die Gefahr bestehe, dass zwei inhaltlich voneinander abweichende Erbscheine, einmal vom örtlich zuständigen und einmal vom örtlich unzuständigen Nachlassgericht erlassen, in die Welt gesetzt werden.
Weiter sei es, so das OLG weiter, einhellige Meinung, dass ein von einem örtlich unzuständigen Nachlassgericht erteilter Erbschein zwingend eingezogen werden müsse. Es wäre vor diesem Hintergrund sinnwidrig, so das OLG, wenn diese Pflicht zur Einziehung eines von einem unzuständigen Gericht erlassenen Erbscheins im Beschwerdeverfahren ausgeblendet würde.
Das komplette Erbscheinverfahren war demnach von dem zuständigen Nachlassgericht erneut durchzuführen.
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