Nur ein unrichtiger Erbschein darf vom Gericht eingezogen werden
Oberlandesgericht Düsseldorf – Beschluss vom 17.01.2012 – I-3 Wx 198/11
- Eheleute verfassen gemeinsamens Testament - Der Ehemann kann nicht lesen und nur seinen Namen schreiben
- Ehefrau setzt in dem Testament ihre Nichte als Erbin ein
- Das Testament und die Erbeinsetzung der Nichte sind wirksam
Mit einem vom Nachlassgericht zu Unrecht eingezogenen Erbschein hatte es das OLG Düsseldorf als Rechtsmittelgericht zu tun.
Eine Erblasserin war im September 2006 verstorben. Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahr 1999 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. In diesem Testament hatte die Erblasserin ihre Nichte als Erbin eingesetzt.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Nichte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin nach dem Tod ihrer Tante ausweisen sollte. Dieser Erbschein wurde der Nichte im Dezember 2006 erteilt.
Ehemann beantragt die Einziehung des Erbscheins
Der Ehemann der Erblasserin beantragte in der Folge dann aber beim Nachlassgericht, den der Nichte erteilten Erbschein als unrichtig wieder einzuziehen. Zur Begründung führte der damals bereits unter Betreuung stehende Ehemann der Erblasserin aus, dass sich aus den Betreuungsakten zweifelsfrei ergebe, dass er bis auf seinen Namen nicht schreiben und auch nicht lesen könne. Das von ihm unterzeichnete gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1999 sei aus diesem Grund unwirksam und der darauf basierende Erbschein einzuziehen.
Auf diesen Antrag hin zog das Nachlassgericht den Erbschein der Nichte im Mai 2011 als unrichtig ein. Zur Begründung seiner Entscheidung wies das Nachlassgericht darauf hin, dass der Ehemann der Erblasserin erwiesenermaßen ein Analphabet sei und er aus diesem Grund ein wirksames gemeinschaftliches Testament nicht errichten könne. Die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Ehemanns wirke sich, da wechselbezüglich im Sinne von § 2270 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), auch auf die Erbeinsetzung der Nichte durch die Erblasserin aus.
Gegen diesen Einziehungsbeschluss legte die Nichte das Rechtsmittel der Beschwerde ein und wies darauf hin, dass die Verfügungen der Eheleute in dem Testament aus dem Jahr 1999 nicht wechselbezüglich gewesen seien und dass die von der Erblasserin vorgenommene Erbeinsetzung ihrer Nichte zumindest als einseitige Verfügung aufrecht erhalten werden könne.
Nachdem das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abhelfen wollte, wurde die Sache dem OLG als Beschwerdegericht vorgelegt.
OLG hebt die Entscheidung des Nachlassgerichts auf
Noch vor Entscheidung durch das OLG hatten sich die Parteien außergerichtlich auf eine einvernehmliche Erledigung der Angelegenheit geeinigt. Diese Einigung stand jedoch einer Entscheidung durch das OLG in der Sache nicht im Weg.
Das OLG hob dann auch den Einziehungsbeschluss des Nachlassgerichts auf und stellte fest, dass der der Nichte erteilte Erbschein richtig war.
Tatsächlich sei nämlich die Erbeinsetzung der Nichte durch die Erblasserin nach Auffassung des OLG gar nicht wechselbezüglich gewesen, sodass das Testament aus dem Jahr 1999 zumindest im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB als wirksames Einzeltestament der Erblasserin Rechtswirkungen entfalten konnte.
Der Einziehungsbeschluss des Nachlassgerichts wurde demnach vom OLG aufgehoben.
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