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Bindungswirkung im Erbvertrag soll entfallen, wenn der Sohn als Vertragserbe seinen Pflichtteil fordert – Wird der Sohn Erbe?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 02.06.2020 – I-3 Wx 79/20

  • Eheleute errichten einen bindenden Erbvertrag mit Bestimmung des Schlusserben
  • Nach dem Tod des Ehemannes errichtet die Ehefrau ein neues Testament
  • Das Testament ist unwirksam – Der Erbvertrag regelt die Erbfolge

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über die Bindungswirkung eines Erbvertrages zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 19.05.1992 einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen.

In diesem Erbvertrag setzten sich die Eheleute für den ersten Erbfall zunächst wechselseitig zu Alleinerben ein.

Weiter bestimmten die Eheleute in dem Erbvertrag, dass der Sohn des Ehemannes alleiniger Erbe des zunächst überlebenden Ehepartners werden soll.

Erbvertrag mit Bindungswirkung

Die Eheleute legten in dem Erbvertrag auch ausdrücklich fest, dass die Bestimmungen in dem Erbvertrag bindend sein sollen.

Für den Fall des Überlebens der Ehefrau bauten die Eheleute aber in den Erbvertrag eine kleine Hintertür ein.

Der Erbvertrag legte nämlich fest, dass die Bindungswirkung des Erbvertrages dann entfallen solle, wenn der Sohn des Ehepartners nach dem Tod seines Vaters bei seiner Stiefmutter seinen Pflichtteil einfordert.

In der Folge verstarb der Ehemann am 02.08.2002.

Ehefrau errichtet ein neues Testament zugunsten ihrer Nichte

Bereits kurze Zeit nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Ehefrau im Jahr 2003 ein handschriftliches Testament und setzte in diesem Testament ihre Nichte als alleinige Erbin ein.

In diesem Testament hielt die Ehefrau fest, dass der Erbvertrag aus dem Jahr 1992 nicht mehr bindend sei, das der Sohn des Ehemannes nach dem Tod seines Vaters seinen Pflichtteil geltend gemacht habe.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte dann auch die Nichte gestützt auf das Testament aus dem Jahr 2003 beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweisen sollte.

Mit diesem Erbscheinsantrag war der in dem Erbvertrag als Erbe eingesetzte Sohn aber nicht einverstanden und beantragt seinerseits einen Erbschein, der ihn auf Grundlage des Erbvertrages aus dem Jahr 1992 als Alleinerben der Erblasserin ausweisen solle.

Sohn bestreitet, den Pflichtteil gefordert zu haben

Der Sohn bestritt im Übrigen, nach dem Tod seines Vaters jemals seinen Pflichtteil gefordert zu haben.

Die Nichte legte dem Nachlassgericht in dieser Situation einen Kontoauszug eines Kontos der Erblasserin vor, dem zu entnehmen war, dass der Sohn von der Erblasserin im Januar 2003 einen Betrag in Höhe von 30.000 Euro erhalten habe, was ziemlich genau seinem Pflichtteilsanspruch entsprochen habe.

Diesen Vortrag konterte der Sohn mit dem Hinweis, dass die Erblasserin ihm im Jahr 2002 einen Betrag in Höhe von 70.000 Euro geschenkt habe, der in zwei Tranchen à 40.000 Euro und eben 30.000 Euro an ihn ausbezahlt wurde.

Nachlassgericht will dem Sohn den Erbschein erteilen

Das Nachlassgericht favorisierte den Vortrag des Sohnes des Ehemannes und kündigte an, dem Sohn den beantragten Erbschein als Alleinerbe erteilen zu wollen.

Gegen diese Entscheidung legte die Nichte der Ehefrau Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG schloss sich aber der Rechtsmeinung des Nachlassgerichts an und wies die Beschwerde der Nichte der Ehefrau als unbegründet ab.

Im Ergebnis verblieb es dabei, dass das Testament der Ehefrau unwirksam war und die Erbfolge durch den Erbvertrag geregelt wurde.

Die Nichte konnte nicht hinreichend glaubhaft machen, so das OLG, dass der Sohn des Ehemannes nach dem Tod seines Vaters tatsächlich seinen Pflichtteil gefordert habe.

Vortrag zur Geltendmachung des Pflichtteils bleibt dubios

Das OLG wies insbesondere darauf hin, dass die Ehefrau in ihrem Testament nicht näher ausgeführt habe, worin denn die Geltendmachung des Pflichtteils durch den Sohn des Ehemannes gelegen haben soll.

Auch konnte der Sohn des Ehemannes durch Vorlage eines Schreibens der Erblasserin den Umstand der Schenkung glaubhaft machen und damit auch eine Begründung für die Zahlung der 30.000 Euro liefern.

Nachdem auch Einwänden der Nichte, wonach der Sohn des Ehemannes im Verfahren gefälschte Unterlagen vorgelegt habe, mangels Substanz nicht näher nachgegangen werden musste, verblieb es bei der Alleinerbenstellung des Sohnes des Ehemannes.

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