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Wie verhalte ich mich als Erbe gegenüber Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Pflichtteilsstreit kann auch für den Erben sehr belastend sein
  • Eine rasche Klärung des Pflichtteils kann auch dem Erben Geld sparen
  • Vermächtnisnehmer muss sich beim Erben melden

Soweit ein Erblasser in seinem Testament ein Vermächtnis angeordnet oder nahe Angehörige enterbt und damit Pflichtteilsrechte ausgelöst hat, ist der testamentarische Erbe verpflichtet, die Forderungen von Vermächtnisnehmern oder Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich zu befriedigen.

Weniger problematisch ist dabei das Verhältnis zu einem eventuell vorhandenen Vermächtnisnehmer.

Bei einem Vermächtnis hat der Erblasser in seinem Testament - hoffentlich eindeutig genug - angeordnet, dass eine Person nach seinem Tod einen bestimmten Geldbetrag oder einen sonstigen Nachlassgegenstand erhalten soll.

Der Vermächtnisnehmer und Begünstigte wird in aller Regel von seiner Einsetzung von Amts wegen vom Nachlassgericht nach Testamentseröffnung benachrichtigt.

Soweit der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis nicht ausschlägt, wird er regelmäßig seine Forderung bei dem oder den Erben geltend machen. Die Verjährungsfrist zur Geltendmachung eines Vermächtnisses beträgt seit der Reform des Erbrechts im Jahr 2010 drei Jahre.

Konfliktträchtiges Verhältnis zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem

Mehr Zündstoff ist erfahrungsgemäss im Verhältnis zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem gegeben.

Pflichtteilsberechtige sind nahe Verwandte des Erblassers, die durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Abkömmlingen, Ehegatten und Eltern des Erblassers, die nicht im Testament bedacht wurden, soll durch das gesetzliche Pflichtteilsrecht eine Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers gesichert werden.

Der Pflichtteil besteht dabei in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Welchen Wert hat der Nachlass?

Um den Pflichtteil summenmäßig beziffern zu können, muss der Wert des Nachlasses bestimmt werden, aus dem sich dann in einem zweiten Schritt mittels der sogenannten Pflichtteilsquote die Höhe des Pflichtteilsanspruches errechnet.

In der Praxis wird dabei in vielen Fällen ausgiebig über die Frage gestritten, welchen Wert der Nachlass hat.

Zunächst ist hier wichtig zu wissen, dass es für die Wertermittlung auf den Wert des Nachlasses zum Todeszeitpunkt des Erblassers ankommt.

Nicht relevant ist also der Zeitpunkt, zu dem der Pflichtteilsberechtigte seine Forderungen geltend macht oder er am Ende ausbezahlt wird. Dies kann sich zum Beispiel dann bemerkbar machen, wenn zum Nachlass Wertpapiere oder Unternehmen gehören, deren Werte sich fortlaufend ändern.

Auskunftsanspruch für den Pflichtteilsberechtigten

Nachdem der Pflichtteilsberechtigte nach seiner Enterbung keine eigenen Rechte am Nachlass hat, tut er sich in aller Regel schwer, sich einen Überblick über den Wert des Nachlasses und damit die Höhe seiner Forderung zu verschaffen.

Um ihn aus diesem Dilemma zu befreien, sieht das Gesetz für den Pflichtteilsberechtigten einen umfassenden Auskunftsanspruch vor, mit dessen Hilfe sich der Pflichtteilsberechtigte einen Überblick über den Bestand und Wert des Nachlasses verschaffen kann.

Dieser Auskunftsanspruch richtet sich gegen den Erben und beinhaltet das Recht, ein Bestandsverzeichnis über sämtliche (!) Nachlassgegenstände und sonstige Vermögenswerte zu verlangen.

Sachverständiger ermittelt den Wert einzelner Nachlassgegenstände

Gleichzeitig kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben fordern, daß der Wert des Nachlasses von einem oder gegebenenfalls mehreren Sachverständigen taxiert wird.

Die Kosten all dieser, möglicherweise nicht billigen, Aktionen gehen zulasten des Nachlasses. Es liegt daher im ureigenen Interesse des Erben, sich nach Möglichkeit mit dem Pflichtteilsberechtigten gütlich zu einigen und auf diesem Weg Kosten zu sparen und Nerven zu schonen.

So bietet es sich an, dass sich Erbe und Pflichtteilsberechtigter auf den Wert des Nachlasses einigen. Besteht der Pflichtteilsberechtigte auf der Erstellung eines Nachlassinventars, so kann man versuchen, sich auf die Aufnahme lediglich der werthaltigen Nachlassgegenstände zu verständigen oder den Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der Aufstellung des Inventars persönlich hinzuzuziehen.

Ist im Rahmen der Nachlassbewertung eine Immobilie wertmäßig zu taxieren, kann man neben berufsmäßigen Sachverständigen auch von sogenannten Gutachterausschüssen der Städte und Gemeinden verwertbare Ergebnisse erhalten.

Hat man sich erst einmal auf einen Nachlasswert geeinigt oder wurde dieser Wert von einem Sachverständigen ermittelt, so werden in einem zweiten Schritt von dem sogenannten Aktivbestand des Nachlasses die Verbindlichkeiten mit Ausnahme von Vermächtnissen und Auflagen abgezogen.

Jetzt kann anhand der Pflichtteilsquote der Wert des Pflichtteils errechnet werden.

Geschenke können Pflichtteilshöhe beeinflussen

Zu erwähnen ist weiter, dass sich der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen Geschenke des Erblassers, die er zu Lebzeiten von diesem erhalten hat, auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss.

Eine Anrechnung ist immer dann geboten, wenn der Erblasser bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestimmt hat, dass sich der Beschenkte diese später im Falle des Todes des Erblassers auf seinen Anspruch anrechnen lassen muss.

Die anrechnungspflichtige Zuwendung wird dabei grundsätzlich mit dem Wert in Ansatz gebracht, den sie im Zeitpunkt ihrer Vornahme hatte.

Das heißt, dass ein vor Jahren dem Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser geschenkter Geldbetrag inflationsbereinigt auf den Zeitpunkt des Erbfalls umzurechnen ist.

Stundung des Pflichtteils ist unter Umständen möglich

Jeder Erbe (seit der Gesetzesänderung zum 01.01.2010 nicht nur der grdsl. pflichtteilsberechtigte Erbe) kann unter bestimmten Umständen die Stundung des Pflichtteilsanspruchs geltend machen.

Voraussetzung ist zum einen, dass die sofortige Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte (das Gesetz führt hier als Beispiel die Aufgabe der Familienwohnung an) bedeuten würde.

Bloße Schwierigkeiten bei der Aufbringung der Mittel zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs reichen für eine Stundung nicht aus.

Zum anderen muss die Stundung des Anspruchs dem Pflichtteilsberechtigten zumutbar sein. Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es am Ende auf das Verhalten des Erben sowie natürlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Pflichtteilsberechtigten an.

Der Erbe hat die gestundete Pflichtteilsforderung zu verzinsen und auf Antrag des Pflichtteilsberechtigten auch eine Sicherheit zu leisten.

Für die Entscheidung über eine Stundung ist das Nachlassgericht zuständig.

Anrechnung von lebzeitigen Zuwendungen

Schließlich muss bei Abkömmlingen des Erblassers, die ihren Pflichtteil fordern, berücksichtigt werden, dass sie sich unter Umständen als Pflichtteilsberechtigte das auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen müssen, was ihnen auch als gesetzliche Erben auf ihren Erbteil angerechnet worden wäre.

Die Grundprinzipien der hier anzuwendenden Anrechnungsbestimmungen können hier nachgelesen werden

Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass der Pflichtteilsanspruch einer Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt.

Diese Frist beginnt dabei in dem Moment zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und der Tatsache, dass er enterbt wurde, Kenntnis erlangt.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

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