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Wann kann ein Erbe von einem Miterben Auskunft über den Nachlass verlangen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Das Gesetz kennt keinen allgemeinen Auskunftsanspruch unter Miterben
  • Miterbe kann spezielle Regelungen für sich nutzen
  • Ausnahmsweise ergibt sich ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben

Hat ein Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen, dann entsteht mit dem Erbfall unter den mehreren Erben eine so genannte Erbengemeinschaft.

Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag angeordnet hat, dass sein Vermögen nach seinem Tod auf mehrere Erben verteilt werden soll oder ob die gesetzliche Erbfolge in den § 1923 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dafür sorgt, dass es mehrere Erben gibt.

Mehrere Erben haben gleiche Rechte

Mehrere Erben können an der Erbschaft zwar mit unterschiedlichen Erbquoten beteiligt sein, sie haben aber grundsätzlich die gleichen Rechte.

Wenn es um Fragen der Verwaltung des Nachlasses geht oder wenn Rechtsbeziehungen zu Dritten betroffen sind, dann stehen auch demjenigen Erben, der beispielsweise nur mit 10 % an der Erbschaft beteiligt ist, die gleichen Rechte zu, wie einem Erben, der mehrheitlich am Nachlass beteiligt ist.

Dieser Grundsatz, wonach Miterben gleiche Rechte haben, ist in der Realität oft ein nur frommer Wunsch.

Erben benötigen Informationen

Dies wird dem einzelnen Miterben besonders in den Fällen vor Augen geführt, wenn ein Miterbe nahe Beziehungen zum Erblasser (und zum Nachlass) gepflegt hat und der andere Miterbe den Kontakt zum Erblasser bereits seit Jahren oder gegebenenfalls seit Jahrzehnten abgebrochen hatte.

Tritt in einer solchen Situation der Erbfall ein, dann stellt der Miterbe, der keinen Kontakt zum Erblasser mehr hatte, schnell fest, dass ihm grundsätzliche Informationen über „sein“ Erbe fehlen.

So weiß der betroffene Miterbe oft nicht, ob und in welchem Umfang der Erblasser überhaupt Vermögen hinterlassen hat. Bankverbindungen, Bankschließfächer, Wertpapierdepots sind dem Betroffenen ebenso unbekannt wie die Existenz von Immobilien oder sonstigen Vermögensgegenständen.

Jeder Erbe kann sich einen Erbschein besorgen

Der betroffene Miterbe kann sich in dieser Situation vertrauensvoll an den (oder die) anderen Miterben wenden und um Aufklärung nachsuchen.

Ebenso steht dem betroffenen Miterben die Möglichkeit offen, beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein zu beantragen und sich mit diesem Legitimationspapier bewaffnet bei Banken, Versicherungen und Grundbuchämtern auf die Suche nach Nachlassvermögen zu begeben.

Wenn der betroffene Miterbe aber dann feststellt, dass er von seinem Miterben entweder gar keine oder jedenfalls keine zufrieden stellende Auskunft erhält und die Beantragung eines Erbscheins mehrere Wochen in Anspruch nimmt, dann wird er nach Möglichkeiten suchen, sich anderweitig Informationen über die Erbschaft zu besorgen.

Auskunftsansprüche des Miterben

Spätestens in dem Moment, wenn der betroffene – und weitgehend ahnungslose – Erbe von seinem Miterben die Information erhält, dass „eher nichts“ vorhanden ist und der Miterbe ihm sogar ein Angebot macht gegen Zahlung einer eher übersichtlichen Abfindungssumme auf sämtliche Rechte aus der Erbschaft zu verzichten, müssen beim betroffenen sämtliche Alarmglocken angehen.

Oft stellt sich nämlich im Nachhinein heraus, dass solche Abfindungsangebote vom bestens informierten Miterben alleine den Zweck hatten, dem informierten Miterben den Löwenanteil an der Erbschaft zu sichern.

Das Gesetz kennt keinen Auskunftsanspruch unter Miterben

Wenn sich der betroffene Erbe ein solches Verhalten nicht bieten lassen will, muss er Informationen sammeln und den eher unredlichen Miterben mit Auskunftsansprüchen konfrontieren.

Dabei wird der nach Informationen suchende Miterbe schnell feststellen, dass es im Gesetz keinen originären Auskunftsanspruch gibt, den Miterben untereinander geltend machen können.

An dieser entscheidenden Stelle haben es die Väter des Bürgerlichen Gesetzbuches verabsäumt, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Dieser gesetzgeberische Lapsus bedeutet aber noch lange nicht, dass der nach Informationen suchende Miterbe vollkommen rechtlos gestellt ist.

Welche Auskunftsansprüche kommen in Frage?

So kann der betroffene Miterbe zunächst einmal gegebenenfalls einen Auskunftsanspruch nach § 2027 BGB geltend machen und von seinem Miterben als so genannter Erbschaftsbesitzer Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib von Erbschaftsgegenständen fordern.

Voraussetzung hierfür ist, dass ein Miterbe unberechtigt den kompletten Nachlass in Beschlag nimmt und den anderen Erben somit ausschließt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der betreffende Erbe zumindest hinsichtlich eines Teils der Erbschaft Erbschaftsbesitzer im Sinne von § 2027 BGB.

Hatte der wenig auskunftsfreudige Miterbe vom Erblasser zu dessen Lebzeiten eine Vollmacht erhalten und hat er Geschäfte für den Erblasser getätigt, dann kann der ahnungslose Miterbe einen Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft nach § 666 BGB geltend machen.

Miterbe und Erblasser in einer Wohngemeinschaft?

Wohnte der betreffende Miterbe mit dem Erblasser zusammen, dann kann der ahnungslose Miterbe einen Auskunftsanspruch nach § 2028 BGB geltend machen. Nach dieser Norm sind Hausgenossen, die mit dem Erblasser zusammen gewohnt haben, - auch Miterben gegenüber - zur Auskunft verpflichtet.

Soweit nach den §§ 2050 ff. BGB lebzeitige Zuwendungen des Erblassers unter Abkömmlingen als Miterben zum Ausgleich zu bringen sind, stellt der § 2057 BGB eine weitere taugliche Anspruchsgrundlage für den betroffenen Miterben dar.

In besonderen Fällen kann ein Miterbe nach § 2314 BGB insbesondere im Hinblick auf Vorempfänge und Schenkungen des Erblassers zur Auskunft verpflichtet sein.

Dies gilt für die Fälle, in denen einem Miterben gegen andere Miterben ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB bzw. ein Anspruch nach § 2329 BGB wegen vom Erblasser getätigter Schenkungen zusteht.

Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben

Schließlich bleibt dem ahnungslosen Miterben noch ein Anspruch nach § 242 BGB und Treu und Glauben gegen seinen Miterben.

Die Voraussetzungen eines solchen Auskunftsanspruchs sind im Einzelnen umstritten und müssen von Fall zu Fall geklärt werden.

Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB unter Miterben wird aber wohl immer dann zu bejahen sein, wenn der auskunftsberechtigte Erbe entschuldbarerweise über das Bestehen und vor allem den Umfang seines Erbes im Ungewissen ist, der betreffende Miterbe hingegen in der Lage ist, die erbetenen Auskünfte unschwer zu erteilen.

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