Wann darf ein Miterbe ausnahmsweise die Erfüllung einer Nachlassforderung nur an sich verlangen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Eine Nachlassforderung steht allen Erben zu
  • Ein Miterbe kann die Forderung alleine einfordern und einklagen
  • Eine Klage muss grundsätzlich auf Leistung an die Erbengemeinschaft gerichtet sein

Hat der Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen, dann bilden die mehreren Erben kraft Gesetz eine so genannte Erbengemeinschaft.

Die Erbengemeinschaft hat die Aufgabe, Nachlassverbindlichkeiten zu regulieren, zum Nachlass gehörende Forderungen beizutreiben und den Nachlass am Ende unter den Erben zu verteilen.

Eine Erbengemeinschaft ist zuweilen eine recht zähe Angelegenheit, da das Gesetz den Erben vorgibt, dass sie nur mit Stimmenmehrheit oder sogar nur einstimmig tätig werden können.

Eine Miterbe kann alleine klagen

Eine (von mehreren) Ausnahmen von dem Gebot, dass die Erben gemeinsam handeln müssen, sieht § 2039 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) für die Geltendmachung von Nachlassforderungen vor.

Nach § 2039 BGB kann nämlich ein Miterbe alleine auf einen Nachlassgläubiger zugehen und von diesem die Erfüllung seiner Schuld verlangen.

Hatte also beispielsweise der Erblasser einem Dritten ein Darlehen gewährt und will ein Miterbe diese Darlehensschuld nach dem Erbfall beitreiben, dann kann der Miterbe ohne Absprache mit seinen Miterben tätig werden.

Erbe muss in der Regel Leistung an die Erbengemeinschaft fordern

Ein Miterbe allein kann in diesem Fall den Darlehensschuldner zur Zahlung auffordern und notfalls auch vor den staatlichen Gerichten auf Zahlung verklagen.

Eine Einschränkung besteht dabei aber für einen eine Nachlassforderung geltend machenden Miterben insoweit, als er Leistung grundsätzlich nicht an sich selber, sondern nur an die Erbengemeinschaft verlangen kann.

Der Miterbe, der sich beispielsweise um die Beitreibung einer im Nachlass befindlichen Darlehensforderung in Höhe von 100.000 Euro kümmert, kann also vom Schuldner nicht verlangen, dass die 100.000 Euro an den einen Miterben bezahlt werden.

Der Miterbe kann lediglich einfordern (und nur einklagen), dass die 100.000 Euro an die Erbengemeinschaft geleistet werden.

Nachlassauseinandersetzung soll nicht erschwert werden

Das Gesetz will mit dieser Einschränkung verhindern, dass durch einseitige Zahlungen an einen Miterben ohne Genehmigung der Erbengemeinschaft die Nachlassauseinandersetzung erschwert wird.

Es gilt jedoch auch hier, wie überall: Keine Regel ohne Ausnahme.

Ausnahmsweise darf ein Miterbe nämlich eine zum Nachlass gehörende Forderung zur Leistung an sich selber einklagen.

Einverständnis der anderen Miterben suspendiert § 2039 BGB

Dies gilt nach der Rechtsprechung zum einen dann, wenn alle anderen Miterben damit einverstanden sind, dass der Miterbe Leistung nur an sich fordert.

Weiter ist eine Klage auf Leistung an nur einen Miterben dann möglich, wenn die Auszahlung des Klagebetrages die einzig in Betracht kommende Möglichkeit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist (BGH, Urteil vom 11.03.2005,  Az.: V ZR 153/04).

Wer aber als Miterbe die vorstehend geschilderten Grundsätze nicht berücksichtigt, muss bei einer nicht auf Leistung an die Erbengemeinschaft gerichteten Klage damit rechnen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird (so z.B. OLG München, Urteil vom 19.08.2020, Az.: 7 U 5934/19).

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