Ehefrau soll Vollerbin des beweglichen Vermögens aber nur Vorerbin von Immobilien werden – Geht so etwas?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 20.09.2017 – I-3 Wx 78/17

  • Ehepaar differenziert in Testament zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen
  • Nachlassgericht trifft eine nicht nachvollziehbare Entscheidung
  • OLG legt das unklare Testament aus

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte den unklaren Inhalt eines – notariellen (!) – Testaments zu klären.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar zwei notarielle Testamente erstellt. In einem Testament vom 08.04.2002 hatten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Die Ehefrau sollte aber nur Vorerbin sein.

Bei der Regelung der Nacherbfolge wurde in diesem Testament zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen differenziert und diverse zum Teil „noch nicht erzeugte oder geborene“ Verwandte als Nacherben benannt.

Dieses Testament hoben die Eheleute dann aber mit weiterem notariellem Testament vom 17.06.2015 wieder auf.

Widerruf des zeitlich früheren Testaments

In diesem zeitlich späteren Testament widerriefen die Eheleute das Testament aus dem Jahr 2002 und ordneten folgendes an:

„1. Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben unseres gesamten beweglichen Vermögens ein.
2. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens, insbesondere des Immobilienvermögens, welches sich zum Zeitpunkt seines Ablebens im Eigentum bzw. Miteigentum des Ehemannes befindet, ist Alleinerbin die Ehefrau, diese jedoch lediglich als von den Beschränkungen des Gesetzes befreite Vorerbin.
Nacherbin des unbeweglichen Vermögens ist die Schwester der Ehefrau, …“

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Ehefrau beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ihres Mannes ausweisen sollte.

Diesem Erbscheinsantrag trat ein Bruder des Erblassers entgegen. Er machte geltend, dass das Testament unwirksam sei, da es den gemeinsamen Sohn der Eheleute nicht berücksichtige. Weiter müsse berücksichtigt werden, dass die Ehefrau nur Vorerbin sei.

Nachlassgericht gibt dem Erbscheinsantrag statt

Das Nachlassgericht teilte mit, dass es dem Erbscheinsantrag der Ehefrau zu entsprechen gedenke. Dabei bezog sich das Nachlassgericht alleine auf die Regelungen in dem zeitlich früheren Testament aus dem Jahr 2002.

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Bruder des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Dort gab man der Beschwerde zwar statt. Die Begründung der Entscheidung durch das OLG dürfte dem Beschwerdeführer aber weniger gefallen haben.

Das OLG teilte nämlich mit, dass der Beschwerde alleine deswegen stattzugeben sei, da der Erbschein nicht in der Form, in der ihn die Ehefrau beantragt hatte, hätte erteilt werden dürfen.

OLG korrigiert die Entscheidung des Nachlassgerichts

Die Ehefrau sei nämlich nicht unbeschränkte Vollerbin ihres Ehemannes, sondern nur Vorerbin geworden.

Dabei sei für die Entscheidung – entgegen dem Nachlassgericht – alleine auf das Testament aus dem Jahr 2015 abzustellen. Das zeitlich frühere Testament sei durch dieses Testament ausdrücklich widerrufen worden.

Weiter wies das OLG darauf hin, dass das Testament aus dem Jahr 2015 wirksam sein, obwohl dort die dort angeordnete „Vor- und Nacherbfolge bezogen auf einen bestimmten Gegenstand oder eine Gruppe von Gegenständen mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) unvereinbar ist.“

Eine Vor- und Nacherbschaft könne mithin nur im Hinblick auf den Nachlass insgesamt und nicht bezogen auf einzelne Nachlasswerte angeordnet werden.

Diesen Fehler in dem Testament aus dem Jahr 2015 korrigierte das OLG aber im Wege der Auslegung.

Es sei, so das OLG, davon auszugehen, dass der Erblasser für seinen kompletten Nachlass – und nicht nur für die Immobilien alleine – eine Vor- und Nacherbschaft anordnen wollte.

Diese Testamentsauslegung müsse aber sowohl die Ehefrau im Rahmen ihres Erbscheinantrages als auch das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen.

Die Ehefrau musste mithin vor dem Nachlassgericht einen Erbschein beantragen, aus dem die angeordnete Vor- und Nacherbschaft hervorging.

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