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Von der Testierunfähigkeit eines Erblassers muss nicht nur der Sachverständige, sondern auch das Gericht überzeugt sein!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Zweibrücken – Beschluss vom 24.04.2024 – 8 W 60/23

  • Parteien streiten über die Testierfähigkeit eines Erblassers
  • Die gerichtliche Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass der Erblasser testierunfähig gewesen sei
  • Das OLG folgt dem Votum des Sachverständigen nicht

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hatte über die Frage der Testierfähigkeit eines betagten Erblassers zu urteilen.

Die Entscheidung ist deswegen bemerkenswert, da sich das Gericht der von einer Sachverständigen geäußerten Einschätzung zur Testierfähigkeit des Erblassers ausdrücklich nicht anschloss.

In der Angelegenheit hatte ein Erblasser im Jahr 2000 mit seiner Ehefrau einen notariellen Erbvertrag geschlossen und in diesem Erbvertrag seine Neffen und Nichten als Erben eingesetzt.

Erblasser errichtet kurz vor seinem Tod ein Testament

Nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete der Erblasser im Jahr 2018 ein notarielles Testament, mit dem er die Regelungen aus dem Erbvertrag aufhob und eine Bekannte als seine alleinige Erbin einsetzte.

Nach dem Ableben des Erblassers im Dezember 2018 beantragte einer der in dem Erbvertrag als Erben benannten Neffen einen Erbschein.

Nach diesem Erbscheinsantrag sollte sich die Erbfolge nach dem Erbvertrag aus dem Jahr 2000 richten.

War der Erblasser testierunfähig?

Das zeitlich spätere Testament sei, so der Vortrag des Antragstellers, unwirksam, da der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments testierunfähig gewesen sei.

Die im Testament aus dem Jahr 2018 als Alleinerbin eingesetzte Bekannte des Erblassers war mit dieser Einschätzung selbstverständlich nicht einverstanden und so kam es vor Gericht zum Streit.

Das Nachlassgericht zog in erster Instanz ärztliche Behandlungsunterlagen bei, hörte eine Vielzahl von Zeugen an und beauftragte schließlich eine psychiatrische  Sachverständige mit Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers.

Sachverständige bestätigt die Testierunfähigkeit des Erblassers

Die als „kompetent und erfahren“ beschriebene Sachverständige kam zu dem Schluss, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung seines Testaments testierunfähig gewesen sei, da ein Delir und damit eine gravierende Bewusstseinsstörung vorgelegen habe.

Das Nachlassgericht folgte dieser Einschätzung und gab dem Erbscheinsantrag, basierend auf dem Erbvertrag aus dem Jahr 2000, statt.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte die in dem Testament aus dem Jahr 2018 eingesetzte Erbin aber Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

OLG korrigiert das Nachlassgericht und die Sachverständige

Das OLG gab der Beschwerde statt.

Das OLG hatte die Sachverständige noch einmal angehört und konnte danach der Schlussfolgerung der Sachverständigen zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers im Ergebnis  nicht folgen.

Das OLG verwies darauf, dass jedermann, der das 16. Lebensjahr vollendet habe, solange als testierfähig gelte, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist.

Könne die Testierunfähigkeit einer Person nicht mit der entsprechenden Sicherheit geklärt werden, so verbleibe es dabei, dass die Person als testierfähig anzusehen sei.

Nachdem das OLG die von der Sachverständigen postmortem erstellte Diagnose eines „Delirs“ bei dem Erblasser als „nicht zwingend“ einstufte, hob das OLG die Entscheidung des Nachlassgerichts aus erster Instanz auf.

Alleinige Erbin wurde damit die in dem zeitlich späteren Testament benannte Bekannte des Erblassers.

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