War der Erblasser testierunfähig? Wie geht das Gericht mit dieser Frage um?
- Man muss dem Gericht für eine Testierunfähigkeit detaillierte Tatsachen vortragen
- Das Gericht muss zwingend alle Beteiligten anhören und die Hinweise aller Beteiligten verwerten
- Die Testierunfähigkeit wird regelmäßig durch ein Gutachten festgestellt
Die Frage der Testierfähigkeit eines Erblassers kann über Millionenwerte entscheiden.
Gerade wenn ein Testament über die Erbfolge entscheiden soll, dann reagieren die Beteiligten, die in dem Testament zu kurz gekommen sind oder sogar komplett übergangen wurden, manchmal reflexhaft mit dem Einwand, dass dieses Testament unmöglich wirksam sein kann, weil der Erblasser „offensichtlich“ testierunfähig war.
Dieser Einwand kann, muss aber nicht zutreffen.
Greift der Einwand der Testierunfähigkeit im Einzelfall durch, dann ist das fragliche Testament unwirksam und die Erbfolge richtet sich entweder nach dem Gesetz oder nach einer anderen letztwilligen Verfügung.
Im Erbscheinverfahren wird häufig eingewandt, dass der Erblasser testierunfähig war
Häufig muss sich ein Gericht im Zuge eines Erbscheinverfahrens mit dem Einwand, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, auseinandersetzen.
Dabei hat derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit des Erblassers und damit auf die Unwirksamkeit eines Testaments beruft, zu beweisen, dass der Erblasser im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr erkannte, dass er ein Testament errichtet und welche Rechtsfolgen dies hat.
In der Praxis werden von den Beteiligten, die sich auf die Testierunfähigkeit berufen wollen, vor Gericht mal mehr, mal weniger detailliert Tatsachen geschildert, die eine Testierunfähigkeit des Erblassers begründen sollen.
Zeugen, Urkunden und Sachverständige können Hinweise liefern
Dies können persönliche Eindrücke von Beteiligten oder sonstigen Zeugen sein, schriftliche Aufzeichnungen des Erblassers selber oder von dritten Personen oder auch bereits eingeholte medizinische Gutachten.
Dabei wird sich ein Gericht alleine von der bloßen Behauptung, der Erblasser sein testierunfähig gewesen, nie überzeugen lassen.
Dem Gericht müssen schon belastbare Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden, damit es sich mit der Frage des geistigen Zustands des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung näher beschäftigt.
Man kann aber dem Gericht auch noch so viele Umstände schildern, die eine Testierunfähigkeit des Erblassers begründen sollen. Ohne ein – kostenpflichtiges – Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen wird ein Gericht nur in absoluten Ausnahmefällen eine Testierunfähigkeit annehmen.
Gericht muss Anknüpfungstatsachen selber ermitteln
Dabei sind vor Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Gericht die konkreten Verhaltensweisen des Erblassers, die auf eine Testierunfähigkeit hinweisen sollen, zu ermitteln.
Wie tief das Gericht hier im Einzelfall einsteigen muss, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen selber festzustellen.
Es geht aber jedenfalls nicht an, dass das Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt, ohne beiden Seiten Gelegenheit zu geben, zur Frage der Testierfähigkeit Stellung zu nehmen.
Regelmäßig ist eine umfassende Zeugeneinvernahme geboten
Im Regelfall wird das Gericht zunächst Zeugen zu vernehmen haben, um nachfolgend darüber entscheiden zu können, ob es zur Aufklärung der Testierfähigkeit eines Sachverständigengutachtens bedarf.
Erst wenn Angehörige, Verwandte, Ärzte und gegebenenfalls das Pflegepersonal des Erblassers vom Gericht gehört wurden, sind genügend Anknüpfungstatsachen gegeben, um dem Sachverständigen eine konkrete Beweisfrage zu stellen, § 404a ZPO (Zivilprozessordnung).
Dabei ist es regelmäßig unzulässig, dem Sachverständigen selber die Tatsachenfeststellung zu übertragen.
Auf welche Anknüpfungstatsachen ein Sachverständiger sein Gutachten stützt, hat der Sachverständige in seinem Gutachten offenzulegen.
Auch an dieser Pflicht wird deutlich, dass ein Gutachten, dass einseitig auf den Aussagen nur einer Partei aufbaut, nicht brauchbar ist.
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