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Verschwundenes Testament regelt die Erbfolge

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Köln – Beschluss vom 03.07.2018 – 2 Wx 261/18

  • Erblasser errichtet kurz vor seinem Ableben ein Testament
  • Nach dem Erbfall wird nur noch der Umschlag des Testaments gefunden
  • Erbfolge richtet sich nach dem nicht mehr auffindbaren Testament

Das Oberlandesgericht Köln hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Testament selbst dann wirksam sein kann, wenn es nach dem Erbfall nicht mehr auffindbar ist.

In der Angelegenheit war der verwitwete und kinderlose Erblasser im Mai 2016 verstorben.

Am 02.06.2016 beantragte ein Halbgeschwister des Erblassers beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins. Dieser Erbschein sollte den Antragsteller und zwei weitere Halbgeschwister als Erben zu je ⅓ nach der gesetzlichen Erbfolge ausweisen.

Nachlassgericht erteilt Erbschein

Am 15.06.2016 wurde der beantragte Erbschein vom Nachlassgericht erlassen.

Im August 2016 meldete sich dann die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers beim Nachlassgericht.

Sie beantragte, den bereits erteilten Erbschein wieder einzuziehen und ihr einen neuen Erbschein zu erteilen, wonach sie, die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, kraft Testament alleinige Erbin des Erblassers geworden sei.

Zur Begründung dieses Antrags teilte die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers dem Gericht mit, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet und sie in diesem Testament als Alleinerbin eingesetzt habe.

Dieses Testament habe der Erblasser nachfolgend in einer Küchenschublade abgelegt.

Umschlag ohne Testament wird aufgefunden

Nach dem Tod des Erblassers habe sie, so der weitere Vortrag der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, in der fraglichen Schublade auch den Umschlag des Testaments vorgefunden. Dieser Umschlag sei allerdings leer gewesen.

Zwei Freundinnen und ihr Lebensgefährte könnten die Errichtung des Testamens durch den Erblasser bezeugen.

Die im Erbschein als Erben ausgewiesenen Halbgeschwister waren von diesem Vortrag naturgemäß wenig begeistert.

Sie monierten, dass sich die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers im ersten Erbscheinverfahren überhaupt nicht zu Wort gemeldet habe.

Ebenfalls ließen sie das Gericht wissen, dass der Erblasser zu Lebzeiten dem Lebensgefährten der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers Hausverbot erteilt habe.

Nachlassgericht zieht Erbschein ein

Nach Anhörung von Zeugen hielt das Nachlassgericht den Vortrag der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers für glaubwürdig, zog den den Halbgeschwistern erteilten Erbschein ein und kündigte an, zugunsten der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers den beantragten Erbschein erlassen zu wollen.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legten die Halbgeschwister des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG wies diese Beschwerde aber als unbegründet zurück.

Das Nachlassgericht, so das OLG in seiner Beschwerdeentscheidung, sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privates Testament errichtet habe.

Auch ein verschwundenes Testament kann wirksam sein

Ein Testament sein auch nicht deswegen unwirksam, da es nicht mehr aufgefunden werden könne.

Es bestehe für den Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dahingehend, dass das Testament vom Erblasser vernichtet oder widerrufen worden sei.

Die Halbgeschwister des Erblassers hätten insbesondere nichts dafür vorgetragen, dass der Erblasser seine Meinung in Bezug auf die Regelung seiner Erbfolge nach dem 13.02.2016 geändert habe.

Vielmehr hatte ein Ehepaar, das als Zeugen vom Gericht angehört wurden, ausgesagt, dass der Erblasser ihnen noch eine Woche vor seinem Versterben von dem Testament berichtet habe.

Im Ergebnis gingen die Halbgeschwister des Erblassers damit leer aus. Alleinige Erbin wurde die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers.

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