Im Erbscheinverfahren wird die Echtheit des Testaments bestritten – Wer trägt die Kosten für ein vom Gericht eingeholtes Gutachten eines Schriftsachverständigen?
OLG Bamberg – Beschluss vom 10.01.2022 – 2 W 30/21
- Erblasser kann nur schlecht lesen und schreiben
- Verwandte des Erblassers zweifelt im Erbscheinverfahren die Echtheit eines Testaments an
- Nachlassgericht beauftragt einen Gutachter – Die Kosten für das Gutachten soll die Verwandte des Erblassers tragen
Das Oberlandesgericht Bamberg hatte über die Frage zu entscheiden, wer die Kosten für ein Gerichtsgutachten über die Echtheit eines Testaments zu übernehmen hat.
In der Angelegenheit war ein kinderloser und unverheirateter Erblasser im Dezember 2020 verstorben.
Der Erblasser war durchaus vermögend und hinterließ Geldvermögen in Höhe von rund 145.000 Euro und Grundbesitz.
Erblasser ist im Lesen und Schreiben nicht geübt
Der Erblasser konnte nur eingeschränkt lesen und schreiben.
In den Unterlagen des Erblassers fanden sich nach seinem Ableben lediglich Schriftstücke, die weitgehend aus einzelnen Wörtern im Rahmen von Notizen und vom Erblasser geleisteten Unterschriften bestanden, wobei letztere stets in Druckschrift verfasst waren.
Ein vom Gericht eingesetzter Nachlasspfleger fand allerdings nach dem Erbfall in einem unverschlossenen Briefumschlag ein unterschriebenes Testament, das folgenden Inhalt hatte:
Testament den 13.12.2020
Ich … … möchte nach meinem Tod, dass der Nachlass an … (E1) u … (E2) geht.
Die in diesem Testament als Erben E1 und E2 benannten Personen hatten den Erblasser zu Lebzeiten bei der Bewältigung des Alltags unterstützt.
Testamentserben beantragen einen Erbschein
Die beiden im Testament genannten Erben beantragten dann auch, gestützt auf das Testament, bei dem zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein zu je ½.
Eine entfernt mit dem Erblasser Verwandte machte daraufhin allerdings gegenüber dem Nachlassgericht Bedenken hinsichtlich der Urheberschaft an dem Testament geltend.
Die Verwandte des Erblassers teilte dem Nachlassgericht mit, dass das Testament nicht dem ungeübten Schreibstil des Erblassers entspreche. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Verwandten vorliegenden Schriftproben.
Nachlassgericht beauftragt einen Gutachter
Zur Klärung der Urheberschaft an dem Testament schaltete das Nachlassgericht daraufhin einen Schriftsachverständigen ein.
Dieser Sachverständige kam in der Folge zu dem Ergebnis, dass das Testament mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Erblasser geschrieben worden sei und keine Nachahmung vorliege.
Für dieses Gutachten stellte der Sachverständige eine Rechnung in Höhe von 1.741,45 Euro.
Der Erbschein wird erteilt – Die Kosten werden verteilt
Der von den Erben beantragte Erbschein wurde daraufhin erteilt.
Zu den entstandenen Verfahrenskosten entschied das Nachlassgericht, dass sie von den Erben zu übernehmen seien.
Die Kosten für das Sachverständigengutachten bürdete das Gericht aber der Verwandten auf, die die Echtheit des Testaments in Frage gestellt hatte.
Gegen diese Kostenentscheidung legte die betroffene Verwandte aber Beschwerde ein.
Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Nachlassgerichts
Sie trug vor, dass sie von einer möglichen Kostenbelastung, die durch ihre Einwendungen gegen das Testament ausgelöst wird, nichts gewusst habe.
Weiter habe sie ihre Argumente gegen die Echtheit des Testaments objektiv begründet und belegt.
Das OLG gab der Beschwerde der Betroffenen statt und änderte die Kostenentscheidung des Nachlassgerichts ab.
Danach hatten die beiden Erben sämtliche Kosten des Verfahrens inklusive der Kosten für das Gutachten des Schriftsachverständigen zu zahlen.
Kostenentscheidung nach billigem Ermessen
Das OLG wies zur Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass das Nachlassgericht die Kosten des Verfahrens auf Erteilung eines Erbscheins nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen unter den Beteiligten verteilen könne.
Einer von mehreren Gesichtpunkten, die vom Gericht dabei berücksichtigt werden können, sei das Maß des Obsiegens oder Unterliegens in dem Verfahren.
Im zu entscheidenden Verfahren habe die betroffene gesetzliche Erbin aber gar kein eigenes Erbrecht geltend gemacht, sondern lediglich Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testaments geäußert.
Grundsätzlich trägt der Antragsteller die Kosten
Insoweit müsse im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 81 FamFG der Grundsatz nach § 22 GNotKG berücksichtigt werden, wonach der Antragsteller, im zu entscheidenden Fall die Erben, die den Erbschein beantragt hatten, für alle Kosten einstehen müssten.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei auch nicht zu machen, da die Verwandte des Erblassers mit ihren Einwendungen gegen das Testament nicht schuldhaft Anlass für die Beauftragung des Schriftvergleichsgutachtens gegeben habe.
Sie habe lediglich auf die unstreitig bestehende Schreibschwäche des Erblassers hingewiesen und Vergleichsschriftstücke vorgelegt.
Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts
Das Nachlassgericht habe auf diese Hinweise hin von Amts wegen den Sachverhalt ermitteln müssen. Hierzu sei das Gericht auch aufgrund seiner Aufklärungspflicht verpflichtet gewesen.
Berücksichtigt werden müsse weiter, dass die beiden Erben auf Grundlage des von ihnen erfolgreich beantragten Erbscheins ein nicht unbeträchtliches Vermögen erben würden.
Auch aus diesem Grund sah es das OLG als gerechtfertigt an, den Erben sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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