Hat man als potentieller Erbe oder Familienangehöriger bereits zu Lebzeiten des Erblassers das Recht, Einsicht in ein Testament zu nehmen?
- Ein Testament ist eine höchstpersönliche Angelegenheit
- Vor dem Eintritt des Erbfalls besteht für einen Dritten kein Einsichtsrecht
- Weder Nachlassgericht noch Testamentsregister stehen vor dem Erbfall für Auskünfte zur Verfügung
Manchmal hat ein Beteiligter bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein großes Interesse an dem Inhalt eines Testaments.
Wenn der Vater beispielsweise Kontakt zu einer wesentlich jüngeren Frau aufgenommen hat, dann schwant den Kindern in Bezug auf die Erbfolge zuweilen nichts Gutes.
Das Gleiche gilt unter Umständen, wenn mehrere Kinder vorhanden sind, die gemeinsame Mutter aber vorzugsweise zu einem Kind Kontakt hält.
Wird das Vermögen im Testament gerecht verteilt?
In all diesen und vergleichbaren Fällen besteht die durchaus nicht unrealistische Chance, dass Vater bzw. Mutter ein Testament errichten, das die Erbfolge nur zugunsten einer einzigen Person und gerade nicht gleichmäßig zugunsten aller Beteiligten regelt.
Beteiligte, die den leisen Verdacht haben, dass ein für sie ungünstiges Testament existiert, haben natürlich ein großes Interesse daran, bereits zu Lebzeiten des zukünftigen Erblassers Kenntnis von dem Inhalt des Testaments zu erhalten.
Weiß man als Beteiligter bereits zu Lebzeiten des Erblassers, dass man im Testament nicht oder zumindest mit einem geringeren Wert als weitere Beteiligte bedacht ist, dann kann man sein Verhalten an diese neue Erkenntnis anpassen oder zumindest versuchen, den Erblasser in seinen Überlegungen noch umzustimmen.
Es besteht kein Rechtsanspruch auf Einsicht in ein fremdes Testament
Für all diejenigen, die den Erbfall nicht abwarten und sich bereits vorab Kenntnis von dem Inhalt eines Testaments verschaffen wollen, gibt es aber in rechtlicher Hinsicht einen ebenso kurzen wie eindeutigen Hinweis:
Ohne das Einverständnis des Erblassers hat man zu Lebzeiten des Erblassers keine Chance, Einsicht in ein fremdes Testament zu nehmen.
Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Erblasser ein privates oder notariell beurkundetes Testament errichtet hat.
Es ist ebenso irrelevant, ob der Erblasser sein Testament beim Amtsgericht in die amtliche Verwahrung gegeben hat oder das Testament zuhause verwahrt.
Ein Testament geht nur den zukünftigen Erblasser etwas an
Ein Testament und sein Inhalt sind eine private und hochnotpersönliche Angelegenheit, die bis zum Eintritt des Erbfalls, außer den zukünftigen Erblasser selber, niemanden etwas angeht.
Es macht also für einen Beteiligten insbesondere keinen Sinn, sich vor dem Eintritt des Erbfalls ohne entsprechende Genehmigung des Erblassers an ein Nachlassgericht oder auch das bei der Bundesnotarkammer geführte zentrale Testamentsregister mit der Bitte um Auskunft zu wenden.
Vom Nachlassgericht bzw. dem Testamentsregister wird man vor dem Eintritt des Erbfalls nicht einmal erfahren, ob überhaupt ein Testament existiert.
Nach dem Erbfall wird das Testament vom Nachlassgericht eröffnet
Die Phase der Unsicherheit endet dann aber auch mit dem Eintritt des Erbfalls.
Sobald der Erblasser verstorben ist, hat das örtlich zuständige Nachlassgericht nämlich die Verpflichtung, ein vorhandenes Testament zu eröffnen.
Mit dem Begriff der Testamentseröffnung ist dann auch die Bekanntgabe des Testamentsinhalts an alle Beteiligten verbunden.
Um festzustellen, ob sich die eigenen Befürchtungen in Bezug auf den Testamentsinhalt einer anderen Person bewahrheiten, muss man also regelmäßig bis zum Eintritt des Erbfalls warten … oder mit dem Erblasser reden.
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