Testament oder Erbvertrag bei Beeinflussung des Erblassers durch Dritte unwirksam?
- Erblasser muss seinen eigenen Willen in seinem Testament wiedergeben
- Bei einer massiven Einflussnahme durch Dritte kann das Testament angegriffen werden
- Gerichte überprüfen die freie Willensbildung beim Erblasser
Wenn nach dem Tod einer Person die beteiligten Familienmitglieder Post vom Nachlassgericht bekommen, dann ist die Überraschung über den Inhalt der Nachricht oft ebenso groß wie die Empörung.
Immer wieder kommt es nämlich vor, dass gerade ältere Menschen ihre Erbfolge in einer Art und Weise gestalten, die auch für die nächsten Familienangehörigen nicht nachvollziehbar ist.
Wenn beispielsweise drei von vier Kindern nach der Testamentseröffnung feststellen müssen, dass sie von ihrer Mutter ohne jede Vorwarnung enterbt worden sind und die Erbschaft an das vierte Kind als Alleinerbe geht, dann machen sich die enterbten Kinder naturgemäß so ihre Gedanken.
Noch drastischer werden von den Familienangehörigen die Fälle erlebt, in denen von Eltern oder Großeltern in deren Testament oder Erbvertrag sogar gänzlich Familienfremde als Erben benannt werden.
Unter welchen Umständen ist das Testament zustande gekommen?
Häufig stellt sich dann, wenn die Erbfolge so ganz anders ausfällt, als sie von den Beteiligten erwartet wurde oder wie sie auch von den Betroffenen als „gerecht“ empfunden wird, die Frage, ob es bei der Errichtung des letzten Willens so ganz mit rechten Dingen zugegangen ist.
Diejenigen, die in dem letzten Willen des Erblassers nicht bedacht wurden, erinnern sich nach Kenntnis des Testamentsinhalts dann an durchaus merkwürdige Begebenheiten, die gerade bei älteren Erblassern immer wieder stattfinden.
So kommt es immer wieder vor, dass die Person, die im Testament bedacht wurde, den Erblasser beispielsweise zu Lebzeiten von allen anderen Beteiligten systematisch abgeschirmt hat.
In extremen Fällen erhalten gerade am Ende der Lebenszeit des Erblassers auch nächste Familienangehörige gar keinen Zugang und auch keine Informationen mehr vom Erblasser.
Wenn die ausgebooteten Familienangehörigen dann noch in Erfahrung bringen, dass der im Testament favorisierte Erbe bei der Testamentserrichtung persönlich anwesend war, dann ist der Weg zum Anwalt meist ein recht kurzer.
Testament soll angegriffen werden
Vom dem Anwalt des Vertrauens wollen die Betroffenen dann meist erfahren, ob man gegen das vorliegende Testament bzw. den Erbvertrag nicht etwas unternehmen kann.
Für die im letzten Willen nicht berücksichtigten Familienangehörigen liegt es nämlich meistens auf der Hand, dass die im Testament niedergelegte Erbfolgeregelung nur durch eine massive und unzulässige Beeinflussung des Erblassers durch Dritte zustande gekommen sein kann.
Der seriöse Anwalt, der mit einer solchen Konstellation konfrontiert wird, wird seine Mandanten auf folgende Fakten hinweisen:
In Deutschland gilt die Testierfreiheit
Zunächst einmal ist es das gute Recht einer jeden Person, ihre Erbfolge so zu regeln, wie sie das für richtig hält.
In Deutschland gilt die Testierfreiheit und ein Testament wird nicht alleine dadurch unwirksam, weil es eine ungerechte oder unfaire Verteilung des Erblasservermögens vorsieht.
Ebenfalls gibt es keine Vermutung für die Unwirksamkeit eines Testaments, nur weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Willens möglicherweise hoch betagt war.
Wer ein Testament angreifen will, muss fundierte Beweise haben
Der Angriff auf ein Testament lohnt sich nur dann, wenn man für die Unwirksamkeit des letzten Willens fundierte Beweise vorlegen kann.
Wenn nach dem Eintritt des Erbfalls beim Nachlassgericht ein formgültiges Testament abgeliefert wird, dann geht das Nachlassgericht in der Folge zunächst einmal von der Wirksamkeit dieser letztwilligen Verfügung aus.
Wer die Unwirksamkeit des Testaments geltend machen will, muss ein Gericht von der Unwirksamkeit überzeugen.
Eine Beratung des Erblassers durch Dritte macht das Testament nicht unwirksam
Gerichte hatten sich schon wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Testament nicht deswegen unwirksam ist, weil Dritte auf den Inhalt des Testaments Einfluss genommen haben.
In diesem Zusammenhang muss immer zwischen einer – zulässigen – Beratung des Erblassers und einer – unzulässigen – den Willen des Erblassers verdrängenden Einflussnahme durch Dritte unterschieden werden.
Alleine aus dem Umstand, dass ein Dritter eine enge Beziehung zum Erblasser gepflegt hat und ihn auch in finanziellen Angelegenheiten beraten hat, kann man grundsätzlich noch nicht auf eine unzulässige Beeinflussung des Erblassers schließen.
Testament bzw. Erbvertrag sind nur wirksam, wenn der Erblasser testier- bzw. geschäftsfähig war
Selbstverständlich sind der Beeinflussung des Erblassers bei der Abfassung seines letzten Willens durch Dritte aber Grenzen gesetzt.
Gerichte greifen dann ein, wenn sie die „freie Willensbestimmung“ bei dem Verfasser des letzten Willens gefährdet sehen.
Wer sich bei Abfassung seines Testaments im Zustand der Testierunfähigkeit, § 2229 Abs. 4 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), bzw. bei der Errichtung eines Erbvertrages im Zustand der Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB befunden hat, dessen letzter Wille ist unwirksam.
Und natürlich kann es bei der Beurteilung des Zustands des Erblassers auch eine große Rolle spielen, inwieweit Dritte bei der Errichtung des letzten Willens Regie geführt und den Erblasser beeinflusst haben.
In Gerichtsurteilen (BGH, Urteil vom 05.12.1995, Az.: XI ZR 70/95) liest sich dieser Umstand dann beispielsweise wie folgt:
„Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen.“
Und auch in einer späteren Entscheidung stellt der BGH (Urteil vom 20.06.1984, Az.: IVa ZR 206/82) in einem Urteil über die Wirksamkeit eines Erbvertrages mit fast identischen Erwägungen darauf ab, ob der Erblasser seinen Willen noch frei und unbeeinflusst bilden konnte, oder ob von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann.
„Ausschlaggebend sind dabei weniger die Fähigkeiten des Verstandes, als vielmehr die Freiheit des Willensentschlusses. Abzustellen ist daher darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich war, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil der Erblasser fremden Einflüssen unterlag.“
Wenn die Urteils- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers beispielsweise aufgrund einer schweren Depression ohnehin schon herabgesetzt war, dann liegt es bei einseitigen und überraschenden letztwilligen Verfügungen nahe, auch die Einflussnahme Dritter auf den Erblasser einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
Jeder, der mit der Begründung der unzulässigen Einflussnahme durch Dritte gegen ein Testament oder einen Erbvertrag angehen will, muss sich aber darüber im Klaren sein, dass der Weg bis zu einem positiven Entscheid lange und regelmäßig steinig ist.
Ohne fachkundige Hilfe eines spezialisierten Mediziners sind solche Verfahren nur selten zu gewinnen.
Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.
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