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Hat der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Pflichtteil verzichtet?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Vor dem Erbfall muss ein Verzicht auf den Pflichtteil zwingend notariell beurkundet werden
  • Nach dem Erbfall kann ein Verzicht von dem Pflichtteilsberechtigten formlos mündlich oder schriftlich erklärt werden
  • An die Annahme eines Verzichtswillens werden von den Gerichten strenge Anforderungen gestellt

Ein Streit um den Pflichtteil ist sowohl für den Pflichtteilsberechtigten als auch für den Erben regelmäßig sehr belastend.

Es gibt allerdings Konstellationen, bei denen sich die Beteiligten einen Streit von vornherein sparen können.

Immer dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte nämlich wirksam auf seinen Pflichtteil
verzichtet hat, erübrigt sich jede Auseinandersetzung zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem.

Wird der Verzicht vor oder nach dem Erbfall erklärt?

Dabei muss bei der Prüfung, ob ein wirksamer Verzicht auf den Pflichtteil vorliegt, zwingend in zeitlicher Hinsicht differenziert werden.

Zu Lebzeiten des Erblassers, dessen Erbfolgeregelung den Pflichtteilsanspruch auslöst, ist ein Pflichtteilsverzicht nämlich nur dann wirksam, wenn der Verzichtsvertrag zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten von einem Notar beurkundet wurde, § 2348 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Ohne eine solche notarielle Beurkundung ist ein Verzicht auf den Pflichtteil zu Lebzeiten des Erblassers unwirksam und nichtig.

Nach dem Erbfall reicht ein Satz für einen Verzicht auf den Pflichtteil

Nach dem Eintritt des Erbfalls ändern sich die Formvorschriften für einen Verzicht auf den Pflichtteil allerdings komplett.

Ist der Erblasser nämlich erst einmal verstorben und erklärt der Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall, dass er auf seinen Pflichtteil verzichten will, dann ist eine solche Erklärung jederzeit formlos möglich und rechtlich wirksam.

Natürlich wird ein Pflichtteilsberechtigter eine solche Verzichtserklärung in aller Regel nicht abgeben, da er mit einem solchen Schritt ja regelmäßig eine durchaus werthaltige Vermögensposition aufgibt. 

Pflichtteilsberechtigter erklärt, dass er nichts haben will

In der Praxis mussten sich Gerichte aber in der Vergangenheit immer wieder mit der Frage beschäftigen, was es bedeutet, wenn ein Pflichtteilsberechtigter nach dem Erbfall erklärt, dass er vom Erbe bzw. vom Erben „nichts haben wolle“ oder „bis auf ein paar Kleinigkeiten“ auf alle Ansprüche verzichte.

Solche oder ähnliche Erklärungen werden von Beteiligten zuweilen, manchmal auch einfach in Anbetracht einer vom Erblasser angeordneten Enterbung durch menschliche Enttäuschung ausgelöst, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erbfall oder der Testamentseröffnung getätigt.

Werden solche Aussagen nach dem Eintritt des Erbfalls vom Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben nachweisbar getätigt, dann kann jeder Streit um den Pflichtteil bereits erledigt sein.

Erlassvertrag zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem

Gerichte prüfen in diesem Zusammenhang nämlich, ob zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erben nicht ein so genannter Erlassvertrag nach § 397 BGB zustande gekommen ist.

Dabei gehen die Gerichte mit dieser Frage nicht leichtfertig um, sondern prüfen vielmehr sehr genau, ob die Erklärung des Pflichtteilsberechtigten „mit hinreichender Deutlichkeit unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles“ (so z.B. LG Deggendorf, Urteil vom 19.09.2019, Az. 32 O 779/18) erfolgt ist.

An die Feststellung eines Verzichtswillens des Pflichtteilsberechtigten werden von den Gerichten dabei immer strenge Anforderungen gestellt.

Hat sich das Gericht aber erst einmal durch die Einvernahme von Zeugen und durch die Anhörung der Parteien die Überzeugung verschafft, dass die Verzichtserklärung des Pflichtteilsberechtigten durchaus ernst gemeint war, dann gibt es für den Pflichtteilsberechtigten nichts mehr zu holen, auch wenn er es sich nach Erklärung des Verzichts noch einmal anders überlegt.

Ein nach dem Erbfall und auch nur mündlich und ernstlich erklärter Verzicht auf den Pflichtteil nimmt dem Pflichtteilsberechtigten im Zweifel alle Ansprüche.

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