Der Erbe schuldet kein notarielles Nachlassverzeichnis, wenn der Nachlass überschuldet ist – Eine unter Umständen problematische Strategie!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erbe will die Forderung nach einem notariellen Nachlassverzeichnis abwehren
  • Erbe behauptet, dass der Nachlass überschuldet ist
  • Erbe muss beweisen, dass der Nachlass überschuldet ist und trägt die Kosten für ein Gutachten

Erbe und Pflichtteilsberechtigter liefern sich nach dem Erbfall manchmal wahre Schlachten.

Der Pflichtteilsberechtigte wurde vom Erblasser enterbt und will zumindest eine Mindestbeteiligung am Nachlass.

Der Erbe verteidigt seine Erbschaft mit allem, was er hat, und hält eine Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten bestenfalls für überflüssig.

Erbe schuldet dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft

In diesem Gemengenlage fordert der Pflichtteilsberechtigte vom Erben Auskunft über die Zusammensetzung des Nachlasses, um seinen Anspruch beziffern zu können.

Nachdem eine vom Erben erteilte private Aufstellung über den Nachlass nur allzu oft wenig befriedigend ausfällt, macht der Pflichtteilsberechtigte in der Praxis häufig von seinem Recht Gebrauch, vom Erben die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verlangen.

Ein solches von einem Notar erstelltes Nachlassinventar soll dem Pflichtteilsberechtigten eine größere Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses geben.

Erbe will um ein notarielles Nachlassverzeichnis herumkommen

Der Erbe wiederum, der mit einer solchen Forderung auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses konfrontiert wird, hält von einem solchen notariellen Nachlassverzeichnis oft gar nichts und sucht nach einem Weg, wie er den Wunsch des Pflichtteilsberechtigten ins Leere laufen lassen kann.

Regelmäßig wird von betroffenen Erben in einer solchen Situation vorgetragen, dass das Bestehen des Pflichtteilsberechtigten auf einem notariellen Nachlassverzeichnis reine Schikane und alleine deswegen abzulehnen sei.

Eine solche, mal mehr mal weniger emotional, vom Erben vorgetragene Verteidigung verfängt bei den staatlichen Gerichten allerdings nur in den seltensten Fällen.

Ist der Nachlass überschuldet, muss kein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt werden

Wesentlich Erfolg versprechender ist im Gegensatz dazu der Hinweis des Erben, dass der Nachlass überschuldet und aus diesem Grund kein notarielles Nachlassverzeichnis geschuldet ist.

Diese so genannte Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB kann den Erben im Pflichtteilsstreit davor bewahren, ein – kostenpflichtiges – notarielles Nachlassverzeichnis vorlegen zu müssen.

Ist der Nachlass nämlich tatsächlich überschuldet und der Pflichtteilsanspruch damit nichts Wert, dann will das Gesetz den Erben nicht noch zusätzlich mit überflüssigen Kosten für einen Notar belasten.

Ist der Nachlass tatsächlich überschuldet?

Bevor ein Erbe aber diese Karte im Pflichtteilsstreit spielt und die Dürftigkeitseinrede erhebt, sollte ein ausreichendes Maß an Sicherheit gegeben sein, dass der Nachlass auch wirklich überschuldet ist.

In einem Gerichtsverfahren ist der Nachweis der Dürftigkeit des Nachlasses nämlich vom Erben zu führen.

Ist die wirtschaftliche Lage des Nachlasses nicht klar, wird ein Gericht auf den Vortrag des Erben, wonach der Nachlass überschuldet ist, mit der Beauftragung eines Sachverständigen reagieren, um die Frage der Überschuldung abzuklären.

Gerichtliche Sachverständige sind teuer

Je nach Umfang des Nachlasses wird ein solcher gerichtlicher Beweisbeschluss regelmäßig mit der Anforderung eines Kostenvorschusses in zuweilen fünfstelliger Euro-Höhe garniert.

Zu tragen sind diese Kosten vom beweisverpflichteten Erben.

Hat der Erbe die Dürftigkeitseinrede also lediglich mit dem Ziel erhoben, dem Pflichtteilsberechtigten so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen, kann sich diese Strategie als wirtschaftlich prekär erweisen, wenn sich am Ende der Tage herausstellt, dass der Nachlass, entgegen der Behauptung des Erben, gar nicht überschuldet war.

Nach den Kosten für den Sachverständigen kommen die Kosten für den Notar

In diesem Fall hat der Erbe nämlich nicht nur die Kosten für den Sachverständigen, der die Frage der Nachlassüberschuldung zu klären hat, sondern nachfolgend auch noch die Kosten für den Notar zu tragen.

Im Übrigen kann der Pflichtteilsberechtigte dem Erben jederzeit die Einwendung, der Nachlass sei überschuldet, aus der Hand nehmen, indem er die Kostenübernahme für das notarielle Nachlassverzeichnis zusagt und einen entsprechenden Kostenvorschuss anbietet.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

Das könnte Sie auch interessieren:
Ein notarielles Nachlassverzeichnis muss vom Erben nicht vorgelegt werden, wenn im Nachlass keine Mittel für die Bezahlung des Notars vorhanden sind!
Der Erbe kann sich gegen die Forderung des Pflichtteilsberechtigten, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen, kaum wehren
Erben wehren sich nach Kräften gegen die Forderung des Pflichtteilsberechtigten nach einem notariellen Nachlassverzeichnis
Über 1.000 aktuelle Entscheidungen der Gerichte zum Erbrecht

Erbrecht