Der Nachlass befindet sich an verschiedenen Orten und zum Teil im Ausland – Welches Gericht ist für Verwertungsfragen zuständig?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Bremen – Beschluss vom 08.09.2021 – 5 AR 3/21

  • Eine Erbin wünscht sich bei der Verwertung des Nachlasses Unterstützung vom Gericht
  • Zwei Amtsgerichte erklären sich für unzuständig
  • Das Oberlandesgericht trifft eine salomonische Entscheidung

Das Oberlandesgericht Bremen hatte einen kniffeligen Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Amtsgerichten zu klären.

In der Angelegenheit war ein sehr begüterter und zuletzt in Bremen wohnhafter Erblasser und Kunstsammler verstorben.

Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern beerbt.

Der Nachlass befindet sich im In- und Ausland

Die von dem Erblasser zu Lebzeiten gesammelten Kunstwerke befanden sich zum Zeitpunkt des Erbfalls als Leihgaben zum Teil in Museen in Deutschland aber auch in England.

Nach dem Erbfall konnten sich die Erben nicht über die Aufteilung der Kunstwerke einigen.

Eine Miterbin schlug vor, die Kunstwerke bei einem Auktionshaus in New York versteigern zu lassen, konnte sich mit dieser Idee bei ihren Miterben aber nicht durchsetzen.

Eine Erbin will die Kunstwerke in New York versteigern lassen

In der Folge stellte die Miterbin bei dem Amtsgericht Bremen einen Antrag nach §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1, 1246 Abs. 1 u. 2 BGB auf  gerichtliche Entscheidung über eine abweichende Art der Verwertung der Kunstgegenstände unter anderem durch Kündigung der Leihverträge mit den aktuellen Besitzern und Überführung der Bilder an das New Yorker Auktionshaus zum Zwecke der Versteigerung.

Bei dem Amtsgericht Bremen nahm sich das Nachlassgericht der Sache an und hatte sofort nachhaltige Bedenken, ob es für einen solchen Antrag überhaupt zuständig ist.

Dem Argument der Antragstellerin, wonach sich eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Bremen aus § 27 ZPO und dem Gerichtsstand der Erbschaft ergeben würde, wollte das Amtsgericht Bremen nicht folgen, erklärte sich für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Berlin Mitte.

Ist Berlin oder Bremen zuständig?

Das Amtsgericht Berlin sei zuständig, so die Argumentation des Amtsgerichts Bremen, da die Antragstellerin selber im Bezirk des Amtsgerichts Berlin wohnhaft sei.

Das Amtsgericht Berlin war mit dieser Überweisung der Angelegenheit aber auch nicht glücklich, erklärte sich ebenfalls für unzuständig und legte die Sache dem OLG Bremen zur Entscheidung über die Zuständigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG vor.

Das OLG Bremen bestimmte das Amtsgericht Bremen als das zuständige Gericht.

Das OLG verwies in der Begründung seiner Entscheidung darauf, dass sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bremen nicht aus § 27 ZPO und dem Gerichtsstand der Erbschaft ergeben würde.

Gerichtliche Entscheidung soll die Erbauseinandersetzung ermöglichen

Im konkreten Fall ergebe sich für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über eine abweichende Art der Verwertung vielmehr aus den §§ 410 Abs. 4 und 411 Abs. 4 FamFG.

Bei der von der Antragstellerin begehrten gerichtlichen Entscheidung über eine abweichende Art der Verwertung werde gerade keine Entscheidung über eine Erbauseinandersetzung begehrt.

Der Antrag auf eine abweichende Art der Verwertung einzelner Nachlassgegenstände nach § 1246 BGB bereite vielmehr eine Erbauseinandersetzung nur vor.

Nach den einschlägigen Regeln in den §§ 410 Abs. 4 und 411 Abs. 4 FamFG sei dasjenige Gericht für die Entscheidung zuständig, in dessen Bezirk sich die zu verwertenden Nachlassgegenstände befinden.

OLG trifft eine pragmatische Entscheidung

Dies würde, so das OLG, im zu entscheidenden Fall aber zu einer Aufsplittung der Zuständigkeiten führen, da sich die Nachlassgegenstände ja an verschiedenen Orten befinden würden.

Aus Praktikabilitätsgründen entschied sich das OLG im Ergebnis dafür, die Zuständigkeit des Gerichts nach der Grundnorm des § 343 Abs. 1 FamFG zu bestimmen.

Damit war mit dem Amtsgericht Bremen dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Dabei akzeptierte das OLG auch, das mit der Entscheidung ein Gericht zuständig war, in dessen Bezirk sich überhaupt kein betroffenes Kunstwerk aus dem Nachlass befand.

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