Eine Erbin kann ein Nachlassgrundstück alleine auf Grundlage einer transmortalen Vollmacht und ohne Erbschein auf sich übertragen!
OLG Nürnberg – Beschluss vom 25.03.2024 – 15 Wx 2176/23
- Ehemann erteilt seiner Ehefrau im Jahr 1990 eine Generalvollmacht
- Nach dem Tod des Ehemannes will die Ehefrau als alleinige Erbin die Vollmacht für eine Grundbuchberichtigung nutzen
- Das Grundbuchamt besteht auf der Vorlage eines Erbscheins
Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Erbin für die Übertragung einer Nachlassimmobilie einen Erbschein benötigt.
In der Angelegenheit war der Erblasser im Jahr 2020 verstorben.
Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau alleine beerbt.
Die Ehefrau erhält eine Vollmacht über den Tod hinaus
In den Nachlass fiel eine Immobilie.
Der Erblasser hatte seiner Ehefrau im Jahr 1990 eine Generalvollmacht erteilt.
In dieser Vollmacht war ausdrücklich vorgesehen, dass die bevollmächtigte Ehefrau auch Rechtsgeschäfte mit sich selber vornehmen kann.
Weiter sah die Vollmacht vor, dass sie auch nach dem Ableben des Ehemannes über dessen Tod hinaus gelten solle.
Ehefrau will eine Nachlassimmobilie auf sich umschreiben lassen
Nach dem Ableben ihres Ehemannes wollte sich die Ehefrau die Einholung eines Erbscheins ersparen und die ihr vorliegende Vollmacht nutzen, um die Nachlassimmobilie auf sich als neue Eigentümerin umschreiben zu lassen.
Sie suchte daher einen Notar auf und ließ dort einen Vertrag zur Überlassung der Nachlassimmobilie beurkunden.
Dabei trat die Ehefrau in diesem Vertrag auf Veräußererseite „aufgrund notarieller Vollmacht für die Erben ihres verstorbenen Ehemannes“ und auf Erwerberseite im eigenen Namen auf.
Das Grundbuchamt besteht auf der Vorlage eines Erbscheins
Das zuständige Grundbuchamt verweigerte aber den Vollzug des Vertrages und die Eintragung der Ehefrau als neue Eigentümerin der Immobilie in das Grundbuch.
Das Grundbuchamt begründete seine Haltung mit dem Argument, dass die der Ehefrau erteilte Vollmacht mit dem Erbfall erloschen sei, da die Ehefrau Alleinerbin ihres Ehemannes geworden sei.
Das Grundbuchamt forderte die Erbin auf, sie möge einen – kostenpflichtigen – Erbschein vorlegen.
Beschwerde gegen das Grundbuchamt zum Oberlandesgericht
Gegen diesen Beschluss des Grundbuchamtes wurde Beschwerde zu Oberlandesgericht eingelegt.
Das OLG gab der Beschwerde statt und wies das Grundbuchamt an, die von der Ehefrau beantragte Umschreibung des Eigentums an der Immobilie alleine auf Grundlage der Vollmacht zu vollziehen.
Das OLG begründete seine Entscheidung mit der Erwägung, dass die vom Erblasser seiner Ehefrau vor Jahren erteilte transmortale Vollmacht ihre Legitimationswirkung nicht mit dem Erbfall verloren habe.
Die entscheidende Rechtsfrage ist umstritten
Es gebe zu der Frage, ob ein Alleinerbe aufgrund einer ihm vom Erblasser erteilten transmortalen Vollmacht nach dem Erbfall noch wirksam verfügen könne, zwar in Literatur und Rechtsprechung verschiedene Meinungen.
Die überwiegende Meinung vertrete aber den Standpunkt, dass die Vollmacht vom Erben auch noch nach dem Erbfall wirksam eingesetzt werden könne.
Die Verfügungsmacht der Ehefrau beruhe im zu entscheidenden Fall auf der ihr erteilten Vollmacht.
Weitere Erwägungen des Grundbuchamtes zur – gleichzeitig bestehenden – Erbenstellung der Ehefrau seien nicht entscheidend.
Im Ergebnis konnte sich die Ehefrau die Kosten für den Erbschein sparen und musste vom Grundbuchamt als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden.
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