Vertragserbe verhält sich widersprüchlich und treuwidrig
OLG Düsseldorf – Urteil vom 21.04.2017 – I-7 U 12/16
- Vertragserbe zahlt an Stiefmutter über Jahre hinweg anstandslos eine Leibrente
- Nach über 15 Jahren stellt der Vertragserbe die Zahlungen plötzlich ein
- Gericht beurteilt die Zahlungseinstellung als rechtsmissbräuchlich
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Frage zu klären, ob ein Sohn als Vertragserbe seines Vaters Zahlungen an die zweite Ehefrau einstellen darf, weil diese Zahlungen seine Stellung als Vertragserbe beeinträchtigen.
Der Sohn war im Jahr 1971 von seinem Vater in einem Erbvertrag als alleiniger Erbe eingesetzt worden.
In einem weiteren Erbvertrag aus dem Jahr 1977 hatte sich der Vater gegenüber seiner zweiten Ehefrau verpflichtet, dieser eine lebenslange Leibrente zu bezahlen.
Sohn leistet auf die Verpflichtung des Vaters jahrelang Zahlung an seine Stiefmutter
Der Vater verstarb im Jahr 1998. Seit diesem Zeitpunkt hatte der Sohn und alleinige Erbe seines Vaters die Leibrente an seine Stiefmutter weiter bezahlt. Im Jahr 2005 erklärte der Sohn darüber hinaus in einem Schreiben, dass er sich für die Versorgung und die Zahlung der Leibrente an seine Stiefmutter „verbürgen“ würde.
Anfang 2015 stellte der Sohn dann aber Zahlungen an seine Stiefmutter ein. Er nahm jetzt den Standpunkt ein, dass das in dem späteren Erbvertrag aus dem Jahr 1977 zugunsten seiner Stiefmutter ausgesetzte Vermächtnis ihn in seiner Stellung als Vertragserbe beeinträchtigen würde und daher nach § 2298 BGB unwirksam sei.
Die Stiefmutter, mittlerweile 74 Jahre alt, wollte sich diese plötzliche Zahlungseinstellung nicht gefallen lassen und erhob gegen den Sohn Klage auf Weiterzahlung der Leibrente.
Gerichte verurteilen den Sohn zur Zahlung
Die Zahlungsklage der Stiefmutter hatte sowohl vor dem Land- als auch im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Erfolg.
Das Oberlandesgericht beurteilte das Verhalten des Sohnes, erst jahrelang Zahlungen zu leisten um diese dann nach über 15 Jahren urplötzlich zu verweigern, als widersprüchlich und treuwidrig an.
Ein solches widersprüchliches Verhalten sei dann treuwidrig und missbräuchlich, wenn
„der eine Teil mit seinem Verhalten einen Vertrauenstatbestand schafft und der andere Teil in Hinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat, etwa wenn die Vertragspartner eine rechtliche Regelung längere Zeit in einem bestimmten Sinn auslegen und wenn der andere Teil sich auf eine gleichbleibende Handhabung eingerichtet hat.“
Das Berufungsgericht entnahm dem jahrzehntelangen Verhalten des Sohnes, dass er selber von der Wirksamkeit des zeitlich späteren Erbvertrages aus dem Jahr 1977 ausging.
Sohn bekräftigt Zahlungsversprechen des Vaters
So wandte sich der Sohn zum 65. Geburtstag seiner Stiefmutter mit folgenden Worten an Sie:
„Konzentriert man sich auf das Wesentliche unseres Erbvertrages, so wird vor allem klar, dass eines für alle Zeiten gewährleistet sein soll: Versorgungssicherheit. Ich verbürge mich, stets dafür einzutreten, und so würde es im Erbfall auch mein Rechtsnachfolger tun.“
In Anbetracht solch deutlicher Worte des Sohnes konnten die Richter am OLG der plötzlichen Kehrtwende des Sohnes nicht viel abgewinnen.
In rechtlicher Hinsicht räumte das Gericht dem beklagten Sohn zwar ein, dass der zeitlich spätere Erbvertrag aus dem Jahr 1977 wegen Beeinträchtigung des Erbrechts des Sohnes gegen die Vorschrift des § 2289 BGB verstößt. Den Schutz des § 2289 BGB habe der Erbe auch nicht dadurch verloren, indem er privatschriftlich gegenüber seiner Stiefmutter auf den Schutz des § 2289 BGB etwa verzichtet habe.
Unter dem Aspekt des Arglisteinwands, § 242 BGB, sei es dem Sohn aber nach Abwägung aller Umstände verwehrt, sich auf den Schutz des § 2289 BGB zu berufen.
Auch in zweiter Instanz wurde der Sohn mithin zur Zahlung verurteilt. Ob dieses Urteil Bestand hat, wird der BGH entscheiden müssen. Vom Sohn wurde nämlich gegen das Urteil des OLG Revision eingelegt.
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