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Gemeinsames Ehegattentestament wird nach dem Tod eines Ehepartners regelmäßig komplett eröffnet und bekannt gegeben

Von: Dr. Georg Weißenfels

Schleswig-Holsteinisches OLG – Beschluss vom 23.11.2012 – 3 Wx 74/12

  • Eheleute wollen ihr Testament in Teilen erst nach dem Ableben beider Ehepartner offenbaren
  • Nachlassgericht will das Testament bereits im ersten Erbfall komplett eröffnen
  • Beschwerde der überlebenden Ehefrau bleibt erfolglos

Die Frage, in welchem Umfang ein gemeinschaftliches Ehegattentestament nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehepartners eröffnet und damit allen Beteiligten bekannt gegeben werden darf, hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zu entscheiden.

Ein Ehepaar hatte im November 2010 vor einem Notar ein gemeinschaftliches Testament errichtet. In diesem Testament setzten sich die Eheleute wechselseitig als Alleinerben nach dem Tod des zuerst Versterbenden ein. Schlusserbe nach dem Tod des überlebenden Ehepartners sollte nach dem gemeinsamen Willen der Eheleute ein Neffe des Ehemannes sein.

Das Ehepaar hatte den länger lebenden Ehegatten in dem Testament gleichzeitig mit diversen Vermächtnissen zugunsten verschiedener Nichten der Eheleute belastet.

Ehepaar äußert im Testament einen Wunsch zum Unfang der Eröffnung

Die Eheleute hatten schließlich in das Testament den ausdrücklichen Wunsch aufgenommen, dass ihr gemeinsamer letzte Wille in amtliche Verwahrung genommen werden soll und die Vermächtnisnehmer ausdrücklich erst nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten von den im Testament ausgesetzten Vermächtnissen erfahren sollen.

Im Mai 2012 verstarb der Ehemann.

In der Folge kündigte das Nachlassgericht an, dass das vorliegende Testament entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Eheleute inklusive der Passage in dem Testament eröffnet würde, in dem die Eheleute die Vermächtnisse ausgesetzt hatten. Sämtliche Vermächtnisnehmer sollten nach dem Willen des Nachlassgerichts also schon bei Ableben des ersten Ehegatten von den ausgesetzten Vermächtnissen erfahren.

Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts, mit dem die umfassende Eröffnung des Testamentinhalts angekündigt wurde, legte die Ehefrau Beschwerde ein. Nachdem das Nachlassgericht selber der Beschwerde nicht abhelfen wollte, musste das OLG eine Entscheidung treffen.

OLG hält Beschwerde für unbegründet

Das Oberlandesgericht hielt die Beschwerde zwar für zulässig, in der Sache aber am Ende für unbegründet.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das Gericht auf die nach § 348 Abs. 1 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) bestehende Verpflichtung des Nachlassgerichts hin, ein in seiner Verwahrung befindliches Testament zu eröffnen, sobald das Gericht vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat.

Nach § 349 Abs.1 FamFG sind bei einem gemeinschaftlichen Testament lediglich diejenigen in dem Testament enthaltenen Verfügungen des überlebenden Ehegatten nicht zu eröffnen und damit sämtlichen Beteiligten bekannt zu geben, die sich von den Verfügungen des verstorbenen Erblassers „trennen“ lassen.

Ein von den Erstellern des Testaments von diesen Grundsätzen abweichender geäußerter Wille sei, so das Gericht grundsätzlich unbeachtlich, da ein Verbot des Erblassers, das Testament nach seinem Tod zu eröffnen, nichtig ist, § 2263 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Eine Trennung der Verfügungen der Eheleute ist nicht möglich

Eine Trennung der jeweiligen Verfügungen der Eheleute im Sinne von § 349 FamFG sei regelmäßig nicht möglich, wenn die Ehepartner, wie im zu entscheidenden Fall geschehen, in der „Wir-Form“ und damit sprachlich zusammengefasst verfügt haben.

Vor allem potentielle gesetzliche Erben benötigen eine umfassende Kenntnis des gesamten Inhalts eines Testaments um gegebenenfalls ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche geltend machen zu können. Es sei nicht Sache des Nachlassgerichts, so das OLG, darüber zu bestimmen, welche Teile eines Testaments für die gesetzlichen Erben relevant sind und welche nicht.

Die Beschwerde gegen die Eröffnung des gesamten Testaments wurde daher vom OLG zurückgewiesen.

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