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Sozialhilfeträger kann Bedürftigen nicht auf die Verwertung einer Sterbegeldversicherung verweisen

Von: Dr. Georg Weißenfels

SG Gießen – Urteil vom 14.08.2018 – S 18 SO 65/16

  • Sozialhilfeträger verweigert die Zahlung mit Hinweis auf eine Sterbegeldversicherung des Bedürftigen
  • Klage gegen den Sozialhilfeträger ist erfolgreich
  • Verwertung der Sterbegeldversicherung kann nicht gefordert werden

Das Sozialgericht Gießen hatte zu klären, ob ein Empfänger von Sozialhilfe verpflichtet ist, seine Sterbegeldversicherung zu versilbern um mit diesen Eigenmitteln Heimpflegekosten zu bestreiten.

In der Angelegenheit hatte eine Ehefrau bei dem zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII - Sozialhilfe – gestellt. Mit den beantragten Mitteln sollten ungedeckte Heimkosten für den Ehemann der Antragstellerin bezahlt werden. Der Ehemann befand sich in vollstationärer Pflege in einem Seniorenheim.

Der Antrag wurde vom Sozialhilfeträger abgelehnt. Zur Begründung verwies das Amt auf eine existierende Sterbegeldversicherung der Eheleute. Diese Versicherung sei, so das Amt, nicht zweckgebunden und könne gekündigt werden. Die so frei werdenden Mittel könnten zum Zweck der Deckung der Heimkosten eingesetzt werden.

Betroffene erhebt Klage zum Sozialgericht

Gegen die Versagung der beantragten Mittel legte die Ehefrau Klage zum Sozialgericht ein und bekam dort Recht.

Das Gericht hob die Bescheide des Sozialhilfeträgers auf und verurteilte das Amt zur Übernahme der Heimkosten für den Ehemann der Klägerin.

Das Gericht führte in der Begründung seiner Entscheidung aus, dass nach § 90 Abs. 1 SGB XII ein Sozialhilfeempfänger grundsätzlich verpflichtet sei, sein gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen, bevor der Staat einspringt. 

Ausgenommen von diesem Grundsatz sei aber so genanntes Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB XII oder solches Vermögen, dessen Einsatz eine Härte bedeuten würde, § 90 Abs. 3 SGB XII.

Rückkaufwert der Sterbegeldversicherungen beträgt rund 5.000 Euro

Dem Grunde nach würden die Sterbegeldversicherungen der Eheleute mit einem Rückkaufwert von über 5.000 Euro auch verwertbares Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII darstellen.

Das Sozialgericht ging aber davon aus, dass die Verwertung der beiden Sterbegeldversicherungen eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde.

Nach § 90 Abs. 3 SGB XII darf die Gewährung der Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den Hilfebedürftigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist nach § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII insbesondere dann der Fall, wenn die Verwertung eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschweren würde.

Das Sozialgericht sah bereits gute Gründe dafür, dass eine Sterbegeldversicherung als Mittel der Alterssicherung im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII zu qualifizieren und damit von der Verwertung ausgeschlossen ist.

Wunsch der Menschen nach einer würdigen Bestattung ist zu respektieren

Auch sei, so das Gericht weiter, „der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahingehend zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung zurückgelegt haben.“

Soweit für die Umsetzung dieses Wunsches – zweckgebunden – ein angemessener Betrag zurückgelegt werde, würde es wohl auch eine Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen, wenn die Betroffenen verpflichtet würden, auf diese Mittel zuzugreifen.

Den von den Eheleuten durch die Sterbegeldversicherung zurückgelegten Betrag in Höhe von 5.000 Euro hielt das Gericht im Ergebnis auch für angemessen.

Der Sozialhilfeträger musste die Heimkosten des Ehemannes der Klägerin mithin in voller Höhe übernehmen.

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