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Nacherbe ausschlagen und Pflichtteil einfordern – Macht das Sinn?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Pflichtteilsberechtigter Nacherbe hat ein Wahlrecht
  • Auf Nacherbe warten oder den Pflichtteil sofort vereinnahmen
  • Verjährungsfristen im Auge behalten

In aller Regel legt der Erblasser in seinem Testament fest, in welcher Form beispielsweise sein Ehepartner oder ein Abkömmling am Nachlass beteiligt werden soll.

Die im Testament benannten Personen haben die Entscheidungen des Erblassers grundsätzlich auch hinzunehmen, ohne hieran etwas ändern zu können.

In speziellen Konstellationen haben nächste Angehörige des Erblassers aber die Möglichkeit, nach Eintritt des Erbfalls Einfluss auf ihre Beteiligung am Nachlass zu nehmen.

Pflichtteilsberechtigter Nacherbe hat Wahlrecht

So sieht zum Beispiel § 2306 BGB für einen – dem Grunde nach pflichtteilsberechtigten – Nacherben ein Wahlrecht vor. Der Betroffene kann sich nämlich entscheiden, ob er die ihm vom Erblasser zugewiesene Stellung als Nacherbe behält oder ob er nach Ausschlagung der Nacherbschaft seinen Pflichtteil einfordert.

Pflichtteilsberechtigte Kinder, Enkel oder auch der Ehegatte, die im Testament des Erblassers als Nacherben eingesetzt wurden, stehen demnach nach dem Erbfall vor einer schwierigen Entscheidung.

Akzeptieren sie ihre Einsetzung als Nacherbe, dann heißt es im Normalfall: Warten.

Der Nacherbe ist zwar ein vollwertiger Erbe, er kommt aber erst dann in den Genuss der Erbschaft, wenn der so genannte Nacherbfall eingetreten ist. In aller Regel bedeutet dies, dass der Nacherbe erst nach dem Ableben des so genannten Vorerben an seine Erbschaft herankommt.

Prognose zum Eintritt der Nacherbschaft ist schwierig

Mit dem Eintritt des Erbfalls ist es für den Nacherben aber eher schlecht voraussehbar, wie werthaltig die Erbschaft im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls sein wird. Der Nacherbe kann oft nicht einschätzen, wie lange der Vorerbe noch leben wird … und damit die Erbschaft damit für den Nacherben blockiert.

Ebenso kann der Nacherbe schlecht prognostizieren, wie sorgsam der Vorerbe mit dem Nachlass umgehen wird. Der Nacherbe ist zwar durch zahlreiche gesetzliche Vorschriften davor geschützt, dass der Vorerbe allzu verschwenderisch mit dem Nachlass umgeht. Wenn es der Vorerbe aber darauf anlegt, kann die Erbschaft auch einmal rapide an Wert verlieren.

Wenn sich der Nacherbe diese unbestreitbaren Nachteile, die mit seiner Nacherbschaft verbunden sind, vor Augen führt, dann kann es für den Nacherben durchaus eine Option sein, sich von der (Nach-) Erbschaft endgültig zu trennen und stattdessen seinen Pflichtteil einzufordern.

Die Entscheidung zwischen Nacherbschaft und Pflichtteil kann im Einzelfall schwierig sein.

Entscheidend wird für den Betroffenen eine Prognoseentscheidung sein, wie lange er vermutlich auf den Eintritt des Nacherbfalls warten muss, was im Nacherbfall vom Nachlass voraussichtlich noch vorhanden ist.

Hat der Nacherbe selber keine finanzielle Not, besteht mit dem Vorerben bestes Einvernehmen und kann der Nacherbe davon ausgehen, dass der Vorerbe sorgfältig mit den geerbten Vermögenswerten umgehen wird, dann wird er sich pro Nacherbschaft entscheiden. Vertraut der Nacherbe dem Vorerben, dann kann er gegebenenfalls ja sogar damit rechnen, dass der Nachlass bis zum Eintritt des Nacherbfalls nochmals an Wert gewinnt.

Verjährung des Pflichtteils beachten

Hat der – pflichtteilsberechtigte – Nacherbe aber aktuell Geldbedarf und rechnet er damit, dass der Vorerbe den Nachlass vorzugsweise für eigene Bedürfnisse verbrauchen wird, dann kann eine Ausschlagung der Erbschaft und die Geltendmachung des Pflichtteils für den Nacherben der bessere Weg sein.

Dabei steht der Nacherbe bei seiner Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, grundsätzlich nicht unter Zeitdruck. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist beginnt nämlich nicht vor Eintritt der Nacherbfolge. Der Nacherbe kann die Nacherbschaft aber bereits mit dem Erbfall ausschlagen, § 2142 Abs. 1 BGB.

Allzu lange sollte sich der Nacherbe für seine Entscheidung freilich nicht Zeit lassen. Sein Pflichtteilsanspruch verjährt nämlich in drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall, § 199 BGB. Lässt sich der Nacherbe also zulange Zeit, kann er gegebenenfalls seinen Pflichtteilsanspruch nicht mehr durchsetzen.

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