Erblasser war zuletzt im Krankenhaus oder auf einer Palliativstation – Welches Nachlassgericht ist für den Erbfall örtlich zuständig?
- Der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers bestimmt die Zuständigkeit des Nachlassgerichts
- Maßgeblich sind der Wohnsitz und die sozialen Bindungen
- Ein zeitlich überschaubarer Krankenhausaufenthalt begründet keine örtliche Zuständigkeit des Gerichts
Bei der Abwicklung eines Nachlassverfahrens spielt das Nachlassgericht eine zentrale Rolle.
In Deutschland gibt es 638 Amtsgerichte. Diese Amtsgerichte sind für die Abhandlung von Nachlasssachen zuständig, § 23a GVG (Gerichtsverfassungsgesetz).
Müssen nach dem Ableben einer Person beispielsweise Erben ermittelt werden, muss ein Erbschein oder ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt oder ein Testament eröffnet werden, so ist für diese und weitere Angelegenheiten das Nachlassgericht zuständig.
Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Welches Nachlassgericht für die Abhandlung eines Nachlassverfahrens örtlich zuständig ist, klärt das Gesetz in § 343 Abs. 1 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) wie folgt:
Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Im Normalfall lässt sich mit dieser gesetzlichen Regelung das zuständige Nachlassgericht sicher feststellen.
Wo ist der Daseinsmittelpunkt?
Dort wo der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen Schwerpunkt der Bindungen zu anderen Personen, seinen „Daseinsmittelpunkt“ (BGH, Urteil vom 03.02.1993, Az.: XII ZB 93/90) hatte, dort befindet sich auch das zuständige Nachlassgericht.
In aller Regel wird die Zuständigkeit des Nachlassgerichts damit durch den Wohnsitz des Erblassers bestimmt.
Zweifel können allerdings aufkommen, wenn der Erblasser seine letzten Tage in einem Krankenhaus oder in einem Sterbeheim verbracht hat und dort auch verstorben ist.
Krankenhaus und Wohnsitz befinden sich in unterschiedlichen Amtsgerichtsbezirken
Befanden sich das Krankenhaus oder das Hospiz und der Wohnsitz des betroffenen Erblassers in verschiedenen Amtsgerichtsbezirken dann wird man jedes Mal gründlich zu prüfen haben, welches Amtsgericht für den Erbfall örtlich zuständig ist.
Hilfreich kann bei dieser Prüfung eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2020 sein (KG, Beschluss vom 06.10.2020, Az.:1 AR 1020/20).
Dort war eine Erblasserin nach mehreren Aufenthalten in Krankenhäusern und einer „Beatmungs-WG“ zuletzt auf einer Palliativ-Station verstorben.
Gleichzeitig hatte die Erblasserin aber bis zu ihrem Ableben ihren Wohnsitz beibehalten.
Soziale Bindungen am Wohnsitz
An ihrem Wohnsitz hatte die Erblasserin nach den Feststellungen des Kammergerichts auch weiterhin soziale Bindungen.
Letztere Umstände begründeten dann auch nach der Entscheidung des Gerichts die örtliche Zuständigkeit desjenigen Nachlassgerichts, in dessen Bezirk sich der Wohnsitz der Erblasserin befand.
Die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts würde regelmäßig voraussetzen, so das Gericht, dass „dieser auf einige Dauer - z.B. sechs Monate - hin angelegt ist“.
Hospiz als gewöhnlicher Aufenthaltsort
Bei einem Krankenhausaufenthalt würde „darüber hinaus die (zeitlich begrenzte) Heilbehandlung und nicht die soziale Einbindung des Patienten in das neue Umfeld im Vordergrund“ stehen.
Das gleiche gelte „für die Aufnahme in eine Einrichtung zur temporären Intensivpflege oder in ein Hospiz.“
Nach einer Entscheidung des OLG Köln (OLG Köln, Beschluss vom 10.10.2006, Az.: 16 Wx 199/06) ist eventuell dann anders zu entscheiden, wenn der Betroffene sich bereits über acht Monate in einem Hospiz aufgehalten und dabei auch über keine eigene Wohnung mehr verfügt hat.
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