Ein Miterbe beantragt einen Erbschein – Müssen sich die anderen Miterben anteilig an den Kosten für den Erbschein beteiligen?
BGH – Urteil vom 07.10.2020 – IV ZR 69/20
- Erblasser wird von Ehefrau und drei Kindern beerbt
- Ein Kind beantragt gegen den Willen der anderen Erben einen Erbschein
- Die anderen Erben müssen sich nicht an den Kosten für den Erbschein beteiligen
Der Bundesgerichtshof hatte eine Auseinandersetzung zwischen Miterben rund um die Kosten für einen Erbschein zu klären.
In der Angelegenheit war ein Erblasser am 25.02.2015 verstorben.
Der Erblasser wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Ehefrau zu 1/2 und von seinen drei Kindern, eine Tochter und zwei Söhne, zu je 1/6 beerbt.
Zum Nachlass gehörte auch eine Immobilie.
Tochter des Erblassers beantragt zeitnah einen Erbschein
Noch im Jahr 2015 beantragte die Tochter des Erblassers beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der im Dezember 2015 erteilt wurde.
Die Tochter des Erblassers setzte sich dabei mit ihrem Vorgehen gegen den erklärten Willen der anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft hinweg, die keinen Erbschein beantragen wollten.
Mit Hilfe des Erbscheins wurden die Mitglieder der Erbengemeinschaft noch im Jahr 2015 als neue Eigentümer der Immobilie in das Grundbuch eingetragen.
Für die Erteilung des Erbscheins stellte das Nachlassgericht der Tochter des Erblassers als Antragstellerin Gebühren in Höhe von 1.870 Euro in Rechnung. Diese Rechnung wurde von der Tochter des Erblassers nachfolgend auch beglichen.
Kosten für den Erbschein sollen unter den Erben verteilt werden
In der Folge forderte die Tochter des Erblassers ihre beiden Brüder auf, ihren Anteil an den Kosten für den Erbschein zu übernehmen.
Nachdem sich die Brüder weigerten, dieser Forderung nachzukommen, ging die Sache zu Gericht.
In erster Instanz gab das Amtsgericht der gegen die Brüder gerichteten Klage in vollem Umfang statt.
Einer der Brüder legte gegen dieses Urteil aber Berufung zum Landgericht ein und bekam dort Recht.
Landgericht hebt die Entscheidung des Amtsgerichts auf
Das Landgericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies die Klage in vollem Umfang ab.
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legte die Tochter des Erblassers dann aber Revision zum Bundesgerichtshof ein.
Der BGH hielt die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis aber für zutreffend und wies die Revision als unbegründet zurück.
Der BGH verneinte ebenso wie das Landgericht einen Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 BGB, da die weiteren Miterben die Einholung eines Erbscheins ausdrücklich abgelehnt hätten.
Das Gesetz liefert keine Anspruchsgrundlage für die Klägerin
Auch einen Anspruch der Tochter des Erblassers auf Herausgabe der Bereicherung gemäß § 684 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 BGB lehnte der BGH ab.
Insoweit sei ein solcher Anspruch zwar neben der erbrechtlichen Vorschrift des § 2038 BGB denkbar, es fehle im vorliegenden Fall aber an einer für einen Anspruch notwendigen Bereicherung des beklagten Bruders.
Nachdem die Tochter des Erblassers den Erbschein alleine beantragt habe, sei sie auch im Verhältnis zum Nachlassgericht alleinige Kostenschuldnerin.
Erbscheinkosten sind keine Nachlasserbenschulden
Durch die Aktivitäten seiner Schwester habe der Beklagte keine Aufwendungen erspart, da eine Grundbuchberichtigung gegebenenfalls auch ohne die im Jahr des Erbfalls erfolgte Beantragung des Erbscheins möglich gewesen wäre.
Schließlich seien, so der BGH weiter, die Kosten der Beantragung eines Erbscheins auch keine Nachlasserbenschulden, für die der gesamte Nachlass haften würde.
Im Ergebnis blieb die Tochter des Erblassers auf den für den Erbschein entstandenen Kosten in voller Höhe sitzen.
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