Auch wenn man zu seiner Schwester über 50 Jahre keinen Kontakt hatte, muss man die Bestattungskosten tragen
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht – Urteil vom 16.10.2014 – 6 A 154/12
- Bruder und Schwester habe seit Jahrzehnten keinen Kontakt
- Nach dem Tod der Schwester fordert Behörde von dem Bruder die Übernahme der Kosten für die Beerdigung
- Gericht weist die Klage des Bruders ab
Das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht hatte darüber zu befinden, ob ein Bruder für die Kosten der Bestattung seiner Schwester aufkommen muss, obwohl die Geschwister seit über 50 Jahren keinerlei Kontakt zueinander hatten.
Die Schwester war am 29.08.2009 verstorben. Nachdem die örtliche Behörde unmittelbar nach Eintritt des Sterbefalls keine Angehörigen ermitteln konnte, gab sie einem Bestattungsunternehmen den Auftrag, für eine Feuerbestattung zu sorgen und übernahm die hierbei entstehenden Kosten.
In der Folge ermittelte die Behörde jedoch den Bruder als nahen Angehörigen der Verstorbenen und machte ihm gegenüber die verauslagten Kosten für die Bestattung geltend. Der so in Anspruch genommene Bruder lehnte gegenüber der Behörde eine Kostenerstattung ab. Er verwies darauf, dass er zu seiner verstorbenen Schwester seit über 50 Jahren keinen Kontakt gehabt habe.
Behörde fordert die Kosten für die Beerdigung ein
Am 14.06.2012 erließ die Behörde gegenüber dem Bruder einen Bescheid, mit dem Bestattungskosten in Höhe von 1.348,48 Euro nebst einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 115 Euro festgesetzt wurden.
Zur Begründung dieses Bescheides wies die Behörde darauf hin, dass er als naher Angehöriger nach den Regelungen des Bestattungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein bestattungspflichtig gewesen sei und entsprechend auch die von der Behörde übernommenen Kosten der Beerdigung zu tragen habe.
Gegen diesen Bescheid legte der Bruder Widerspruch ein. Er verwies nochmals darauf, dass er seine Schwester im Jahr 1953 zuletzt gesehen habe und die Schwester ihm seinerzeit mit den Worten „Du bist nicht mein Bruder“ jeglichen Kontakt untersagt habe. Der in Anspruch genommene Bruder bezeichnete die Beziehung zu seiner Schwester nicht als zerrüttet, sondern vielmehr als nicht existent.
Bruder erhebt Klage zum Verwaltungsgericht
Nachdem der Widerspruch des Bruders zurückgewiesen worden war, erhob er gegen den Gebührenbescheid am 03.12.2012 Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die Behörde trug vor Gericht vor, dass ihrer Auffassung nach ein Abbruch des persönlichen Kontakts zwischen den Geschwistern nicht ausreiche, um eine Unzumutbarkeit der Kostenerstattung anzunehmen.
Das Verwaltungsgericht schloss sich im Ergebnis den Argumenten der Behörde an und wies die Klage des Bruders als unbegründet ab.
Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Bruders für die Bestattungskosten seiner Schwester seien die §§ 230, 238 LVwG SH. Danach habe die Behörde das Recht gehabt, die Bestattung auf Kosten des bestattungspflichtigen Bruders auszuführen.
Der Bruder sei, so das Verwaltungsgericht, als naher Angehöriger gemäß § 2 Ziffer 12 Buchst. d) Bestattungsgesetz SH bestattungspflichtig gewesen.
Pflicht zur Tragung der Kosten ist keine unbillige Härte
Der Kostentragungspflicht des Bruders würde auch keine unbillige Härte darstellen, die einer Zahlungspflicht des Bruders entgegenstehen würde.
Zwar enthalte die einschlägige Kostenverordnung eine Regelung, wonach von der Beitreibung von Gebühren und Auslagen durch die Verwaltung teilweise oder ganz abgesehen werden könne, wenn die Beitreibung der Kosten für den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde.
Das Gericht konnte vorliegend eine solche unbillige Härte aber nicht erkennen. Zwar können, so das Gericht, nach der Rechtsprechung gestörte Familienverhältnisse im Ausnahmefall dazu führen, von einer Kostentragungspflicht bezüglich der Bestattungskosten abzusehen. Im Wesentlichen würden diese Urteile aber auf Fälle abzielen, bei denen sich der Verstorbene schwere Straftaten zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen schuldig gemacht habe.
Um eine Kostenübernahmepflicht des an sich Bestattungspflichtigen zu verneinen, müsse aber das Interesse des Bestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, jedenfalls so gewichtig sein, dass es das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Bestattung und Kostentragungspflicht des Bestattungspflichtigen überwiege.
Familiäre Verbundenheit ist keine zwingende Voraussetzung für die Kostentragungspflicht
Dabei begründe aber jedenfalls nicht jede Abkehr von der familiären Verbundenheit eine unbillige Härte im Sinne des Gesetzes.
Allein der Kontaktabbruch durch die Schwester lasse es, so das Gericht, im zu entscheidenden Fall nicht als schlechthin unzumutbar erscheinen, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Der Bruder habe insbesondere nichts zu möglicherweise besonders schweren psychischen Belastungen oder traumatische Erlebnisse im Zusammenhang mit seiner verstorbenen Schwester vorgetragen.
Alleine die Tatsache, dass die Geschwister über einen Zeitraum von einem halben Jahrhundert keinen Kontakt hatten, änderte mithin nichts an der Bestattungspflichtigkeit des Bruders und ebenso an seiner Pflicht, die von der Behörde verauslagten Beerdigungskosten zu übernehmen.
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