Auch eine jahrelang misshandelte Ehefrau muss für die Beerdigung Ihres Ehemannes sorgen
Niedersächsisches OVG – Beschluss vom 09.07.2013 – 8 ME 86/13
- Ehemann misshandelt seine Ehefrau über Jahre hinweg
- Behörde fordert die Frau nach dem Tod des Mannes auf, für eine ordnungsgemäße Bestattung zu sorgen
- OVG: Bestattungspflicht entfällt nur bei schwerer Straftat
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte darüber zu befinden, ob auch eine Ehefrau, die jahrelang von ihrem Mann misshandelt wurde, verpflichtet ist, nach dem Tod des Mannes für dessen Beisetzung zu sorgen.
Der Ehemann war am 20.01.2013 verstorben. Die Ehefrau war in den Jahren vor dem Tod ihres Ehemannes fortlaufend massiven tätlichen Übergriffen ihres Mannes ausgesetzt. Bereits im Jahr 2006 war der Ehemann wegen einer zu Lasten seiner Frau begangenen Körperverletzung von einem Strafgericht verurteilt worden. Nach den Ermittlungen des Strafgerichts hatte der Mann seine Frau „in alkoholisiertem Zustand auf der Straße angeschrieen und sie immer wieder gegen Oberkörper und Gesicht geschlagen, sie zu Boden gerissen, am Arm über den Asphalt gezerrt und weiter nach ihr getreten, bis Passanten ihn schließlich von der Antragstellerin trennen konnten.“
Noch im November 2012 hatte die Ehefrau gegen ihren Mann eine so genannte Gewaltschutzanordnung vor dem Familiengericht erwirkt.
Behörde weist nach dem Tod des Ehemannes auf Bestattungspflicht hin
Nach dem Tod des Ehemannes wurde die Ehefrau unter Hinweis auf entsprechende Regelungen im Bestattungsgesetz des Landes Niedersachsen von der zuständigen Ordnungsbehörde durch Bescheid aufgefordert, die Urne mit der Asche ihres Mannes innerhalb eines Monats nach der Einäscherung auf einem Friedhof beizusetzen zu lassen. Für diesen Bescheid ordnete die Behörde den sofortigen Vollzug an.
Die Ehefrau wollte diesem Bescheid mit Hinweis auf ihr jahrelanges Martyrium nicht nachkommen legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht, dass die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederhergestellt wird. Das Verwaltungsgericht gab diesem Antrag statt.
Gegen diesen zugunsten der Ehefrau sprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts legte die Behörde Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht ein.
Oberverwaltungsgericht hebt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf
Das OVG hob daraufhin die Entscheidung der ersten Instanz auf.
Das OVG begründete seine Entscheidung mit dem Hinweis, dass die von der Ehefrau angestrengte Klage in der Hauptsache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Nach § 8 Abs. 1, 3 Bestattungsgesetz Niedersachsen hat in erster Linie der Ehepartner für die Bestattung seines verstorbenen Partners zu sorgen. Diese Pflicht dürfe die zuständige Behörde beim betroffenen Ehepartner einfordern und notfalls auch mit Zwangsmitteln durchsetzen.
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach im vorliegenden Fall aufgrund jahrelanger Bedrohungen und gewalttätiger Angriffe des verstorbenen Ehemannes auf seine Frau eine Ausnahme von der grundsätzlichen Bestattungspflicht der Ehefrau zu machen sei, wollte sich das OVG nicht anschließen.
Gericht: Nur schwere Straftaten befreien von der Bestattungspflicht
Der Gesetzgeber habe, so das Beschwerdegericht, entsprechende Ausnahmen von der Bestattungspflicht im Gesetz nicht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung sei eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach Eheleute wechselseitig bestattungspflichtig sind, allenfalls dann vorstellbar, wenn sich der Verstorbene wegen einer schweren Straftat zu Lasten des Bestattungspflichtigen strafbar gemacht hat. Eine solche schwere Straftat sahen die Richter des OVG in dem Verhalten des Verstorbenen allerdings nicht.
Die Richter konstatierten zwar, dass die Ehefrau offensichtlich „jahrelangen Erniedrigungen sowie körperlicher und psychischer Gewalt“ ausgesetzt gewesen war. Dies könne aber nicht mit einer schweren Straftat gleichgesetzt werden.
Hinsichtlich der mit der Bestattungspflicht verbundenen Kostenbelastung wies das OVG darauf hin, dass die Ehefrau gegebenenfalls die Erben, § 1968 BGB, oder auch andere ebenfalls bestattungspflichtige Verwandte als Mitschuldner an den entstandenen Kosten beteiligen könne. Gegebenenfalls sei auch die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII in Betracht zu ziehen.
An der Grundentscheidung, wonach auch eine jahrelang schwer misshandelte Ehefrau für die Bestattung ihres Misshandlers zu sorgen hat, wollte das Gericht aber nicht rütteln.
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