Erbschaft während Insolvenzverfahrens - Was darf der Erbe behalten?
- Kann man das Erbe behalten? Entscheidend ist der Zeitpunkt der Erbschaft!
- Die Wohlverhaltensphase im Insolvenzverfahren als zeitliche Zäsur
- Erbe, Pflichtteil oder Vermächtnis müssen nicht realisiert werden
Gibt ein Mensch mehr Geld aus als er verdient und hat er auch keine Rücklagen, aus denen er fällige Forderungen bedienen kann, dann kommt früher oder später ein Insolvenzverfahren auf ihn zu.
Waren früheren Zeiten Konkurs- oder Insolvenzverfahren vor allem auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch kleinerer oder auch großer Unternehmen zugeschnitten, gibt es heutzutage auch so genannte Privatinsolvenzen.
Ein Privatinsolvenzverfahren dient vor allem dazu, das noch vorhandene und pfändungsfreie Vermögen eines Schuldners nach festgelegten Grundsätzen unter den Gläubigern zu verteilen und so den wirtschaftlichen Schaden für alle Beteiligten möglichst gering zu halten.
Restschuldbefreiung lässt Schulden entfallen
Aus Sicht eines Insolvenzschuldners steht bei einem Insolvenzverfahren freilich oft weniger die Befriedigung seiner Gläubiger im Zentrum des Interesses, sondern der Insolvenzschuldner verbindet mit dem Insolvenzverfahren häufig den Begriff der „Restschuldbefreiung“.
Dieser in den §§ 286 ff. InsO (Insolvenzordnung) geregelte Mechanismus kann nämlich unter bestimmten Umständen dafür sorgen, dass der Insolvenzschuldner aus seinem Insolvenzverfahren als freier und vor allem komplett entschuldeter Mensch hervorgeht.
Grundsätzlich können Insolvenzgläubiger nämlich nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit ihren zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen für einen Zeitraum von 30 Jahren gegen den Schuldner vorgehen, § 201 InsO.
Von diesem Grundsatz macht das Restschuldbefreiungsverfahren, das sich an das eigentliche Insolvenzverfahren anschließt, aber eine Ausnahme. Absolviert der Schuldner das Restschuldbefreiungsverfahren erfolgreich, so ist er am Ende grundsätzlich jeglicher Schulden ledig, § 301 InsO.
Um allerdings in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen, muss der Schuldner unter anderem den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens für einen Zeitraum von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht eingesetzten so genannten Treuhänder herausgeben. Einkommen, das über der Pfändungsfreigrenze liegt, wird in diesem Zeitraum wiederum an die Gläubiger verteilt.
Der Schuldner muss aber nicht nur Teile seines Arbeitseinkommens während des Restschuldbefreiungsverfahrens bei seinen Gläubigern abliefern. Nach § 295 InsO hat der Schuldner während der sechsjährigen so genannten Wohlverhaltensphase darüber hinaus diverse weitere Obliegenheiten zu erfüllen. So hat er insbesondere auch eine Erbschaft – zumindest zum Teil – über den Treuhänder zum Zweck der Gläubigerbefriedigung herauszugeben.
Wann hat der Erbe die Erbschaft gemacht?
Ob und in welchem Umfang der Insolvenzschuldner eine von ihm während des Insolvenzverfahrens gemachte Erbschaft herausgeben muss, hängt von dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse ab.
Ereignet sich die Erbschaft nämlich noch während des laufenden Insolvenzverfahrens, so fällt die komplette Erbschaft zu 100% in die so genannte Insolvenzmasse nach § 35 InsO und steht damit zur Gänze den Insolvenzgläubigern (und dem Insolvenzverwalter) zur Verfügung.
Fällt die Erbschaft hingegen zeitlich in die sechsjährige so genannte Wohlverhaltensphase, dann gibt es Hoffung für den Insolvenzschuldner. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat er in diesem Fall seine Erbschaft nämlich nur zur Hälfte herauszugeben. Die andere Hälfte darf er behalten.
Die für die Frage entscheidende Zäsur, ob eine Erbschaft komplett oder nur zur Hälfte herauszugeben ist, ist die Beendigung des Insolvenzverfahrens und der zeitgleiche Beginn der so genannten Wohlverhaltensphase.
Nach § 200 Abs. 1 InsO wird das Insolvenzverfahren grundsätzlich aufgehoben, sobald die so genannte Schlussverteilung vollzogen ist. Nach Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses beginnt dann die Wohlverhaltensphase. Erwirbt der Erbe nach diesem Zeitpunkt seine Erbschaft, so darf er sie zur Hälfte behalten.
Regelung gilt für Erbschaft, Pflichtteil und Vermächtnis
Die vorgenannten Grundsätze gelten immer dann, wenn der Insolvenzschuldner „von Todes wegen“ Vermögen erwirbt. Der betroffene Insolvenzschuldner muss also nicht nur eine Erbschaft, sondern auch ein zu seinen Gunsten ausgesetztes Vermächtnis oder auch einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch während des Insolvenzverfahrens an seine Gläubiger ganz oder eben zur Hälfte herausgeben.
Dabei verbleibt es aber in jedem Fall dem betroffenen Insolvenzschuldner die Entscheidung selber überlassen, ob er in Anbetracht der insolvenzrechtlichen Restriktionen seine Erbschaft überhaupt annehmen, sein Vermächtnis einfordern oder auch den Pflichtteil geltend machen will.
Entscheidet sich der Betroffene nämlich dafür, die Erbschaft auszuschlagen oder das Vermächtnis bzw. den Pflichtteil gar nicht erst zu beanspruchen, dann ist das zwar für seine Gläubiger bedauerlich, muss aber als freie Willensentscheidung des Insolvenzschuldners hingenommen werden.
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