Geisterfahrerin verursacht bei Unfall die Tötung eines Autofahrers – Tochter des Opfers fordert erfolglos Hinterbliebenengeld und Schadensersatz!
OLG München – Urteil vom 05.08.2021 – 24 U 5354/20
- Geisterfahrerin tötet den Vater einer zum Unfallzeitpunkt noch ungeborenen Tochter
- Tochter verlangt nach ihrer Geburt Hinterbliebenengeld und Schadensersatz
- Gericht weist die Klage der Tochter des Unfallopfers ab
Das Oberlandesgericht München hatte über die finanziellen Folgen eines Verkehrsunfalls zu urteilen, den eine Geisterfahrerin verursacht hatte.
In der Angelegenheit hatte eine Geisterfahrerin auf einer Autobahn im Jahr 2017 einen Verkehrsunfall verursacht.
Durch diesen Unfall war ein anderer Autofahrer tödlich verletzt worden.
Das Unfallopfer ist Vater dreier Kinder
Das Unfallopfer war Vater zweier minderjähriger Söhne. Eine Tochter des Unfallopfers war zum Unfallzeitpunkt zwar bereits gezeugt, wurde aber erst im Jahr 2018 geboren.
Das Unfallopfer wurde von seinen beiden Söhnen und von seiner im Unfallzeitpunkt noch nicht geborenen Tochter beerbt.
Nachdem die Erben zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters noch nicht volljährig bzw. noch gar nicht geboren waren, ordnete das zuständige Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft an.
Nachlasspflegerin erhält fast 21.000 Euro
Für ihre Tätigkeit als Nachlasspflegerin rechnete die vom Nachlassgericht eingesetzte Rechtsanwältin einen Betrag in Höhe von 20.941,62 Euro ab und erhielt diesen Betrag auch aus dem Nachlass.
Die beiden minderjährigen Söhne erhielten von der Unfallverursacherin ein Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Nach § 844 Abs. 3 BGB gilt folgendes:
Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.
Der Tochter des Unfallopfers wurde allerdings vorprozessual kein Hinterbliebenengeld zugebilligt.
Besteht ein Näheverhältnis zwischen Vater und ungeborener Tochter?
Die Unfallverursacherin (bzw. deren Versicherung) argumentierte in diesem Zusammenhang, dass zwischen dem Unfallopfer und seiner zum Unfallzeitpunkt noch gar nicht geborenen Tochter gar kein Näheverhältnis bestanden haben konnte.
Die Tochter wollte diese Argumentation aber nicht akzeptieren und erhob Klage gegen die Unfallverursacherin.
Mit der Klage machte die Tochter machte die Tochter des Unfallopfers zum einen ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 20.000 Euro geltend.
Kosten der Nachlasspflegschaft als Schadensersatz
Weiter forderte die Tochter des Unfallopfers von der Unfallverursacherin aber auch Ersatz der für die Nachlasspflegschaft in Höhe von 20.941,62 Euro entstandenen Kosten.
Das Landgericht gab der Klage nur zum Teil statt und sprach der Klägerin als Schadensersatz die Kosten der Nachlasspflegschaft zu.
Einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld für die Klägerin lehnte das Landgericht mit der Begründung ab, dass „der nasciturus vom Schutzbereich des § 844 Abs. 3 BGB nicht umfasst sei.“
Berufung zum Oberlandesgericht durch Klägerin und Beklagte
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legten sowohl die Tochter des Unfallopfers als auch die Unfallverursacherin Berufung zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG gab der Berufung der Unfallverursacherin statt. Die Berufung der Tochter des Unfallopfers wurde hingegen abgewiesen.
Damit wurde die Klage der Tochter des Unfallopfers insgesamt abgewiesen.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die Erben des Unfallopfers keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Nachlasspflegschaft haben.
Kosten der Nachlasspflegschaft sind ein reiner Vermögensschaden
Bei den Kosten der Nachlasspflegschaft handele es sich, so das OLG, um einen reinen Vermögensschaden der Erben.
Weder aus eigenem noch aus von ihrem Vater geerbtem Recht stünde der Klägerin allerdings eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung, auf deren Grundlage sie den Ersatz diesen Schadens einfordern könne.
Weiter könne die Klägerin im Gegensatz zu ihren Brüdern auch kein Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB fordern.
Kein Anspruch auf Hinterbliebenengeld
Diesem Anspruch stünde entgegen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Unfallereignisses noch gar nicht geboren war.
Das OLG verneinte in diesem Zusammenhang ebenso wie das Landgericht in erster Instanz ein Näheverhältnis zwischen der ungeborenen Tochter und ihrem durch den Unfall getöteten Vater.
Das OLG wollte insbesondere keine Analogie zu der insoweit weiter gefassten Vorschrift in § 844 Abs. 2 BGB vornehmen.
Schließlich konnte das OLG auch keinen von der Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen Art. 1 GG erkennen.
Im Ergebnis scheiterte die Tochter des Unfallopfers in vollem Umfang mit ihren Ansprüchen.
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