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Bei deutschen Banken liegen Hunderte Millionen Euro an Nachlassgeldern – Und die Erben wissen nichts davon!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Bei deutschen Banken schlummern unentdeckte Nachlasswerte in Millionenhöhe
  • Gesetzesinitiative zur Behebung dieses Missstandes ist eingeleitet
  • Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf

Als das deutsche Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt wurde, war die Welt noch eine andere.

Als das BGB am 01.01.1900 in Kraft trat, gab es noch keine Computer und ebenso wenig den Begriff „Internet“.

Die Bürger wickelten damals ihre Geldgeschäfte weit überwiegend bei örtlichen Sparkassen ab und legten dort auch ihr Erspartes sicher und gegen Zins an.

Die Digitalisierung des Bankengeschäfts hat viel geändert

In einem Erbfall konnten die Erben damals das in den Nachlass fallende Bankvermögen des Erblassers relativ einfach identifizieren und in Besitz nehmen.

Diese Zeiten sind längst vorbei.

Bereits im Jahr 2017 wurden von 103 Mio. Girokonten in Deutschland 66,4 Mio. oder 64% von den Kontoinhabern online geführt.

Die Beziehung zwischen Bank und Kontoinhaber beschränkt sich bei diesen online geführten Konten oft auf einen Benutzernamen und ein mehr oder weniger sicheres Passwort, mit deren Hilfe der Kontoinhaber zu Lebzeiten auf sein Geld zugreifen kann.

Erben benötigen Informationen über den Nachlass

Hinterlässt ein Erblasser seiner Nachwelt aber keine ausreichenden Hinweise auf seine Bankkonten, dann ist es für die Erben nach dem Eintritt des Erbfalls nahezu unmöglich, über das in den Nachlass fallende Geld zu verfügen.

Die Erben haben oft weder von der Bankverbindung an sich noch von den für einen Kontenzugriff notwendigen Daten Kenntnis.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass aktuell bei deutschen Banken erhebliche Geldbeträge in so genannten „nachrichtenlosen, unbewegten oder auch herrenlosen Konten“ geführt werden.

250.000 herrenlose Konten alleine bei der Sparkasse Dortmund

So wies alleine die Sparkasse Dortmund im Jahr 2016, einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Abgeordneten der Grünen zufolge, rund 250.000 nachrichtenlose Konten auf.

Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass auf nachrichtenlosen Konten alleine in Nordrhein-Westfalen Beträge von bis zu 300 Mio. Euro lagern.

Bundesweit geht das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen von einer Summe von bis zu 2 Mrd. Euro aus, die bei deutschen Banken auf „herrenlosen Konten“ liegen.

9 Milliarden Euro an Nachlasswerten werden Erben vorenthalten

Der Verband Deutscher Erbenermittler e. V. schätzt die Summe des unerkannt auf Nachlasskonten lagernden Geldes sogar auf sage und schreibe 9 Mrd. Euro.

Man darf nach diesen Zahlen getrost davon ausgehen, dass Erben in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen ihre Erbschaft zwar angetreten haben, über wesentliche Vermögenswerte, die ihnen der Erblasser hinterlassen hat, aber mangels Kenntnis noch gar nicht verfügen können.

Im benachbarten Ausland hat man sich dieser Problematik längst angenommen.

In der Schweiz kann man nach unbekannten Konten des Erblassers forschen

So kann man beispielsweise in der Schweiz in einer jedermann zugänglichen Internet-Datenbank zu nachrichtenlosen Vermögenswerten bei Schweizer Banken, deren letzter Kundenkontakt mindestens 60 Jahre zurück liegt und deren Wert über CHF 500 beträgt oder unbekannt ist, Nachforschungen anstellen.

Einer Initiative des Landes Niedersachsen ist es zu verdanken, dass diese offensichtliche Lücke im Nachlassverfahren zukünftig möglicherweise auch in Deutschland geschlossen wird.

Das Land Niedersachsen hat nämlich im Juni 2020 den „Entwurf eines Gesetzes zur Veröffentlichung von Informationen über Geld- und Wertpapiervermögen Verstorbener zugunsten unbekannter Erben“ in den Gesetzgebungsprozess eingebracht.

Erben sollen eine Informationsquelle erhalten

Durch dieses Gesetz soll zukünftig sichergestellt werden, dass die Kreditinstitute verlässlich vom Tode eines Kunden in Kenntnis gesetzt werden, um daran anknüpfend auch eigene Erbenermittlungen durchführen zu können.

Ebenfalls soll nach der Begründung des Gesetzes eine allgemein zugängliche Informationsquelle über Vermögensanlagen des Verstorbenen bei Kreditinstituten bereitgestellt werden, wenn in angemessener Zeit kein Erbe Anspruch darauf erhoben hat.

Ob diese – sinnvollen – Bemühungen des Landes Niedersachsen am Ende Früchte tragen werden, wird abzuwarten sein.

Die Bundesregierung hält Rücksprache mit den Banken und sieht keinen Handlungsbedarf

Eher pessimistisch stimmen in diesem Zusammenhang folgende Einschätzungen der Bundesregierung, die sie am 23.10.2019 auf eine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie folgt zusammengefasst hat:

„Die Bundesregierung hat im Jahr 2015 eine Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zu nachrichtenlosen Konten eingeholt. Die Deutsche Kreditwirtschaft hat dabei über die in allen Verbandsbereichen existierenden Verfahren zur Kontennachforschung berichtet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass diese ineffektiv organisiert sind.“

„Die Bundesregierung plant derzeit keine gesetzlichen Maßnahmen, um die Anzahl nachrichtenloser Konten zu reduzieren.“

„Die Bundesregierung plant derzeit keine gesetzlichen Maßnahmen, die es Erbinnen und Erben erleichtert, leichter und umfassend Auskünfte über mögliche Konten und Versicherungen von Erblassern zu erhalten.“

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