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Sachverständiger beurteilt im Erbscheinsverfahren die Testierfähigkeit des Erblassers – Wer trägt die Kosten für das Gutachten?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 06.07.2017 – 31 Wx 409/16

  • Nachlassgericht holt im ersten Erbscheinverfahren Gutachten ein
  • Erbscheinsantrag wird zurück gewiesen – Gutachten wird in einem zweiten Erbscheinverfahren verwendet
  • Antragstellerin im zweiten Verfahren muss nicht die Kosten für das Gutachten bezahlen

Das Oberlandesgericht München hatte in einer kostenrechtlichen Angelegenheit darüber zu befinden, wer die Kosten für ein vom Nachlassgericht eingeholtes Sachverständigengutachten zu tragen hat.

In der Angelegenheit wurde nach dem Ableben des Erblassers von einem Brüder-Trio am 27.09.2012 beim Nachlassgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt. Die Brüder stützten ihren Antrag auf ein Testament, dass der Erblasser am 12.03.2009 verfasst hatte. In diesem Testament wurden die Brüder als Erben des Erblassers benannt.

Es lag weiter ein zeitlich früheres Testament des Erblassers vom 31.03.2006 vor. In diesem Testament war vom Erblasser eine andere Beteiligte und nicht das Brüder-Trio als Erbin eingesetzt worden.

Nachdem das Nachlassgericht Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers hatte, holte es zu dieser Frage ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein.

Gutachter stellt fest, dass Erblasser testierunfähig war

Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Erblasser zwar im Jahr 2009, nicht aber im Jahr 2006 tatsächlich testierunfähig gewesen war.

Für die Erstattung des Gutachtens stellte der Sachverständige Kosten in Höhe von 4.971,29 Euro in Rechnung.

Auf Grundlage der Feststellungen in dem Gutachten wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Brüder-Trios als unbegründet ab. In Bezug auf die Verfahrenskosten stellte das Nachlassgericht in seinem Beschluss folgendes fest:

„Die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist nicht veranlasst, so dass sich die Kostentragungspflicht nach der Kostenordnung und dem GNotKG richtet.“

In der Folge beantragte die Beteiligte, die in dem zeitlich früheren Testament aus dem Jahr 2006 bedacht worden war, ihrerseits einen Erbschein.

Im zweiten Verfahren wird ein Erbschein erteilt

Dieser Erbschein wurde der Antragstellerin in der Folge auch erteilt.

Für dieses zweite Verfahren erlegte das Nachlassgericht der Antragstellerin Kosten auf. Zu den Verfahrenskosten, die gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht wurden, addierte das Nachlassgericht aber auch die 4.971,29 Euro, die in dem ersten Erbscheinverfahren für die Einholung des Gutachtens angefallen waren.

Nachlassgericht: Gutachten war auch im zweiten Verfahren hilfreich

Das Nachlassgericht vertrat dabei die Auffassung, dass eine Kostenpflicht der Antragstellerin im zweiten Verfahren für die im ersten Verfahren angefallenen Gutachterkosten alleine deswegen gerechtfertigt sei, da die Antragstellerin im zweiten Verfahren von dem Gutachten aus dem ersten Verfahren profitiert habe.

Dieses Argument überzeugte die Antragstellerin im zweiten Verfahren aber nicht und sie legte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein.

Das OLG gab der Beschwerde statt und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass sich eine Kostentragungspflicht der Antragstellerin nicht aus der gesetzlichen Vorschrift des § 22 GNotKG ergebe.

Maßgeblich sei, dass die Kosten für das Gutachten nicht in dem Erbscheinverfahren der Antragstellerin, sondern in dem zeitlich früheren Verfahren des Brüder-Trios angefallen seien.

Kosten können nur für konkretes Erbscheinverfahren auferlegt werden

Kosten nach § 22 GNotKG könnten, so das OLG, nur für ein konkretes Erbscheinerteilungsverfahren und gerade nicht für ein Nachlassverfahren insgesamt auferlegt werden.

Nachdem das Gutachten in dem Verfahren der Brüder und eben nicht in dem Verfahren der Antragstellerin eingeholt worden war, könnte die Antragstellerin im zweiten Verfahren auch nicht mit den Kosten des Gutachtens belastet werden.

Das OLG ließ die Frage, ob der Antragstellerin im zweiten Verfahren bereits im ersten Verfahren die Kosten des Gutachtens hätten auferlegt werden können, ausdrücklich offen. Eine solche Entscheidung war vom Nachlassgericht in der ersten Kostenentscheidung ja ausdrücklich nicht getroffen worden.

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