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Testierfähig oder nicht? Ein Gutachten entscheidet den Streit über die Wirksamkeit eines Testaments!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Beschluss vom 05.02.2020 – 15 W 453/17

  • Nachlassgericht berücksichtigt Behandlungsunterlagen der Erblasserin nicht
  • Zeugen werden vom Nachlassgericht nicht in Gegenwart des Sachverständigen vernommen
  • OLG korrigiert Versäumnisse des Nachlassgerichts, kommt aber zum gleichen Ergebnis

Das Oberlandesgericht Hamm hatte zu klären, ob ein Testament wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam ist.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 22.06.1982 ein gemeinsames Testament errichtet.

In diesem Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig als alleinige Erben ein. Schlusserben sollten vier Nichten bzw. Neffen des Ehemannes sein.

Die Eheleute hatten in dem Testament ausdrücklich angeordnet, dass der zunächst überlebende Ehepartner nach dem ersten Erbfall berechtigt sein soll, die Schlusserbeneinsetzung abzuändern.

Der Ehemann verstarb im Jahr 1990.

Erblasserin war psychisch krank

Bei der Ehefrau war bereits im Jahr 1998 eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert worden. Gleichzeitig war die Ehefrau im Jahr 1998 unter Betreuung gestellt worden.

Am 07.09.2004 errichtete die Ehefrau ein notarielles Einzeltestament und setzte eine andere Person als ihre Erbin ein.

Die im gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1982 bedachten Verwandten des vorverstorbenen Ehemannes sollten nach diesem Einzeltestament nur noch Vermächtnisse in Höhe von je 20.000 Euro erhalten.

Streit zwischen den Testamentserben

Nach dem Ableben der Ehefrau stritten die im gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1982 eingesetzten Erben mit der Erbin aus dem im Jahr 2004 entstandenen Testament über die Erbfolge.

Die Erben aus dem zeitlich früheren Testament vertraten die Auffassung, dass die Erblasserin im Jahr 2004 testierunfähig gewesen, das zeitlich spätere Testament mithin unwirksam sei.

Im Erbscheinsstreit hörte das Nachlassgericht zahlreiche Zeugen an und ließ auch über die Frage der Testierfähigkeit auf Basis der Aktenlage ein Sachverständigengutachten erstellen.

Nachlassgericht stellt fest, dass die Erblasserin testierfähig war

Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des zeitlich späteren Testaments im Jahr 2004 testierfähig war.

Mit dieser Entscheidung wollten sich die Erben aus dem früheren Testament aber nicht zufrieden geben.

Sie monierten, dass im Verfahren vor dem Nachlassgericht die Zeugen nicht in Gegenwart des Sachverständigen angehört worden seien. Weiter hätte der Gutachter bei seiner Bewertung auch nicht auf ärztliche Behandlungsunterlagen der Erblasserin zugegriffen.

Diesen Argumenten konnte im Beschwerdeverfahren das Oberlandesgericht durchaus etwas abgewinnen.

OLG fordert Behandlungsunterlagen der Erblasserin an

Das OLG forderte nämlich bei den Ärzten, die die Erblasserin behandelt hatten, sämtliche Behandlungsunterlagen der Erblasserin an und legte diese Unterlagen einem weiteren gerichtlichen Gutachter zur Stellungnahme vor.

Dieser vom OLG eingeschaltete Gutachter kam aber ebenso wie der Gutachter aus erster Instanz zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung ihres Einzeltestaments am 07.09.2004 testierfähig war.

Entscheidend war dabei die Einschätzung des OLG, dass der im Beschwerdeverfahren eingeschaltete Gutachter ein „ausgewiesener Fachmann“ und dem OLG „als sehr genau und sorgfältig arbeitender Sachverständiger“ bekannt sei.

Der Sachverständige habe die ihm vorliegenden Akten umfassend ausgewertet und „sein Gutachten in Ansehung der Aussagen der in seiner Anwesenheit gehörten Beteiligten und Zeugen erstellt.“

OLG vertraut dem eingeschalteten Sachverständigen

Das strukturierte und umfassende Gutachten ergebe ein in sich stimmiges und im hohen Grade plausibles Gesamtbild des Zustandes der Erblasserin im maßgeblichen Zeitraum.

Auf dieser Basis konnte das OLG nicht von der Testierunfähigkeit der Erblasserin überzeugt werden.

Für die Erbfolge maßgeblich war damit das zeitlich spätere Testament aus dem Jahr 2004.

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