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Wie weist man dem Grundbuchamt nach, dass Pflichtteilsansprüche geltend gemacht wurden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 23.05.2018 – 34 Wx 385/17

  • Erblasserin ordnet in Testament eine bedingte Nacherbschaft an
  • Wenn der Pflichtteil gefordert wird, entfällt die Nacherbschaft
  • Wie kann man die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nachweisen?

Das Oberlandesgericht München hatte darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen ein Nacherbenvermerk aus dem Grundbuch gelöscht werden kann.

In der Angelegenheit hatte eine Erblasserin am 07.07.1986 ein notarielles Testament errichtet.

In diesem Testament hatte die Erblasserin eine Person A als Erbin eingesetzt. Diese Erbeinsetzung stand jedoch unter einer Bedingung. Sollte die A nämlich einen zum Nachlass gehörenden Grundbesitz innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall veräußern, dann sollte eine Nacherbfolge eintreten und die A, der B und der C Erbe der Erblasserin werden.

B und C waren die Brüder der A.

Erblasserin ordnet bedingte Nacherbfolge an

Weiter enthielt das Testament eine Klausel, wonach die bedingt angeordnete Nacherbfolge dann zur Gänze entfallen sollte, wenn der B und der C nach dem Tod der Erblasserin ihren Pflichtteil geltend machen.

Die Erblasserin verstarb am 05.08.1995.

Am 13.02.2017, also über 20 Jahre nach dem Erbfall beantragte die A beim Grundbuchamt die Löschung des Nacherbenvermerkes aus dem Grundbuch. Zur Begründung führte die A an, dass die von der Erblasserin für die angeordnete Nacherbschaft vorgesehene Bedingung, nämlich Veräußerung der Immobilie, bisher nicht eingetreten sei und aufgrund Fristablaufs auch nicht mehr eintreten könne.

Grundbuchamt weigert sich, den Nacherbenvermerk zu löschen

Das Grundbuchamt weigerte sich in der Folge den Nacherbenvermerk zu löschen. Es teilte der A mit, dass  die im Testament vorgesehne 20-Jahresfrist zwar seit 05.08.1995 abgelaufen, jedoch nicht belegt sei, dass bis zum Fristablauf keine Auflassung notariell beurkundet worden sei.

Die A änderte daraufhin Ihre Taktik. Sie legte dem Grundbuchamt eine beglaubigte Abschrift eines gerichtlich protokollierten Vergleichs mit dem Bruder B sowie eine beglaubigte Abschrift einer Klage des Bruders Cund eines daraufhin ergangenen Anerkenntnisurteils vor. Aus diesen Unterlagen ging hervor, dass zumindest der C seinen Pflichtteil geltend gemacht hatte und mithin im Verhältnis zum C die Bedingung für den Wegfall der Nacherbfolge eingetreten sei.

Das Grundbuchamt gab daraufhin zu bedenken, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass die Pflichtteilsansprüche der Brüder auch tatsächlich vollständig erfüllt worden seien und weigerte sich weiter, den Nacherbenvermerk aus dem Grundbuch zu löschen.

Beschwerde zum Oberlandesgericht

Gegen die Weigerung des Grundbuchamts legte die Betroffene daraufhin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG wies darauf hin, dass sich aus dem im Verhältnis zum Bruder B vorgelegten Vergleich nicht ergebe, dass mit dem Vergleich geltend gemachte Pflichtteilsansprüche des B abgegolten worden seien. Die Beschwerde gegen die Nichtlöschung des Nacherbenvermerkes im Verhältnis zum B wurde daraufhin zurück genommen.

Die Beschwerde im Verhältnis zum Nacherbenvermerk zugunsten des Bruders C hatte jedoch Erfolg.

Das OLG wies darauf hin, dass die Geltendmachung des Pflichtteils durch den C durch Vorlage notariell beglaubigter Kopien aus der Zivilverfahrensakte und des öffentlichen Testaments erbracht worden sei.

Testament muss ausgelegt werden

Zwar bewertete das OLG die Formulierung in dem Testament, wonach die Nacherbfolge dann entfalle, wenn ein Pflichtteil „geltend gemacht“ werde, als auslegungsbedürftig.

Im vorliegenden Fall kam das OLG aber zu dem Ergebnis, dass bereits die Geltendmachung des Pflichtteils zu einem Erlöschen des Nacherbenrechts führen würde. Zu diesem Ergebnis der Testamentsauslegung hätte, so das OLG, auch das Grundbuchamt kommen können und müssen.

Weiter konstatierte das OLG, dass sich der Nachweis der Geltendmachung von Ansprüchen im Grundbuchverfahren in der Regel nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO führen lässt.

Ausnahme von § 29 GBO zuzulassen

Im vorliegenden Fall hielt es das OLG daher für angezeigt, vom strengen Nachweiserfordernis des § 29 Abs. 1 GBO eine Ausnahme zuzulassen.

Nachdem der Bruder C im Verfahren ohnehin erklärt hatte, dass er auf sein Nacherbenrecht verzichte, sah das OLG die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Klageschrift als ausreichend zum Nachweis der Tatsache an, dass vom C Pflichtteilsansprüche gegen seine Schwester A geltend gemacht worden waren.

Der Nacherbenvermerk im Verhältnis zum C konnte mithin gelöscht werden.

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