Grundbuchamt fordert vom Erben trotz notariellem Erbvertrag einen Erbschein zum Nachweis seiner Erbenstellung
OLG München – Beschluss vom 18.09.2017 – 34 Wx 262/17
- Vater setzt seinen Sohn in einem notariellen Erbvertrag als Alleinerben ein
- Zeitlich später errichtet der Vater weitere privatschriftliche Testamente
- Grundbuchamt fordert nach dem Eintritt des Erbfalls einen Erbschein
Das Oberlandesgericht München hatte über die Frage zu befinden, ob ein Grundbuchamt vom Erben einen Erbschein verlangen kann, obwohl die Erbfolge in einem notariellen Erbvertrag geregelt war.
In der Angelegenheit war der Erblasser am 05.06.2016 verstorben. Kurz vor seinem Tod hatte der Erblasser mit notariellem Kaufvertrag vom 01.03.2016 eine Wohnung käuflich erworben. Im Rahmen des Erwerbsvorgangs war zu Gunsten des Erblassers in das Grundbuch eine Vormerkung eingetragen worden.
Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Sohn des Erblassers die Berichtigung des Grundbuchs. Der Sohn machte gegenüber dem Grundbuchamt geltend, dass er alleiniger Erbe seines Vaters geworden sei und verwies in diesem Zusammenhang auf einen notariellen Erbvertrag vom 18.08.2011, den er mit seinem Vater geschlossen hatte.
In diesem notariellen Erbvertrag war vorgesehen, dass der Sohn „alleiniger und ausschließlicher“ Erbe seines Vaters sein sollte. Gleichzeitig war in diesem Erbvertrag vorgesehen, dass sämtliche zeitlich früheren letztwilligen Verfügungen vom Vater widerrufen werden.
Grundbuchamt lässt sich durch private Testamente verwirren
Verwirrung trat beim Grundbuchamt nunmehr deswegen ein, da der Vater neben dem Erbvertrag aus dem Jahr 2011 zahlreiche weitere letztwillige Verfügungen hinterlassen hatte. Sowohl zeitlich vor als auch nach dem Erbvertrag aus dem Jahr 2011 hatte der Vater einen weiteren Erbvertrag als auch zahlreiche Testamente errichtet.
So existierten zwei weitere privatschriftliche Testamente aus den Jahren 2015 und 2016. In diesen Testamenten wiederholte der Erblasser zwar die Erbeinsetzung seines Sohnes, gleichzeitig widerrief er aber in diesen Testamenten wiederum zeitlich frühere letztwillige Verfügungen und gleichzeitig ordnete der Erblasser in diesen Testamenten aus dem Jahr 2015 und 2016 eine Testamentsvollstreckung an.
Das Grundbuchamt sah sich in Anbetracht der Fülle der vorliegenden Erbfolgeregelungen nicht in der Lage, im konkreten Fall die Erbfolge zu beurteilen und forderte den Sohn auf, zum Nachweis der Erbfolge einen – kostenpflichtigen – Erbschein vorzulegen.
Sohn will keinen Erbschein beantragen
Dies wollte der Sohn des Erblassers aber nicht. Er argumentierte gegenüber dem Grundbuchamt, dass man die Erbfolge mit hinreichender Sicherheit dem Erbvertrag aus dem Jahr 2011 entnehmen könne. Die zeitlich späteren Testamente würden dem Erbvertrag nicht entgegenstehen. Der Sohn legte gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes Beschwerde ein.
Nachdem das Grundbuchamt dieser Beschwerde nicht abhelfen wollte, landete die Angelegenheit zur Entscheidung beim Oberlandesgericht.
Das OLG gab dem Beschwerdeführer Recht und hob die Entscheidung des Grundbuchamtes auf.
OLG: Erbfolge ist auch ohne Erbschein klar
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass sich die Erbfolge aus dem notariellen Erbvertrag vom 18.08.2011 ergebe. Die zeitlich späteren Testamente würden nicht dazu führen, dass vom Sohn des Erblassers ein Erbschein vorgelegt werden müsse.
Selbst in den Fällen, in denen der Erblasser neben einem notariellen Testament oder Erbvertrag auch privatschriftliche Testamente hinterlassen hat, sei das Grundbuchamt - selbst bei schwieriger Rechtslage - verpflichtet, so das OLG, „deren Wirksamkeit zu prüfen und deren Inhalt - gegebenenfalls unter Beachtung gesetzlicher Auslegungsregeln - zu würdigen“.
Einen Erbschein dürfe das Grundbuchamt nur dann fordern, wenn sich im Rahmen der Prüfung ergibt, „dass die Erbfolge nicht ausschließlich auf der notariellen Verfügung beruht oder wenn sich hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art ergeben“.
Nachträglich angeordnete Testamentsvollstreckung widerspricht dem Erbvertrag
Insbesondere im Hinblick auf die vom Erblasser nachträglich angeordnete Testamentsvollstreckung verwies das OLG auf die Vorschrift des § 2289 BGB, wonach zeitlich nach dem Erbvertrag liegende Verfügungen von Todes wegen insoweit unwirksam seien, als sie die Rechtsposition des Beteiligten als Vertragserbe beeinträchtigen würden.
Durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in den Testamenten aus den Jahren 2015 und 2016 hatte der Erblasser seinen Sohn aber im Sinne von § 2289 BGB beeinträchtigt. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung war daher aus Rechtsgründen nicht wirksam.
Damit verblieb es aber auch bei der im Erbvertrag aus dem Jahr 2011 angeordneten – unbeschränkten – Alleinerbeneinsetzung des Sohnes. Auf dieser Basis konnte – auch ohne Erbschein – eine Korrektur des Grundbuchs vorgenommen werden.
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