Grundbuchamt fordert trotz notariellem Testament einen Erbschein – Mit Recht?
OLG Hamm – Beschluss vom 22.03.2017 – 15 W 354/16
- Erblasserin setzt in notariellem Testament ihren Enkel als Erben ein
- Ersatzerbin soll die Tochter sein
- Enkel schlägt die Erbschaft aus – Braucht die Tochter einen Erbschein?
Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit darüber zu befinden, ob das Grundbuchamt einem Antragsteller die Vorlage eines – kostenpflichtigen – Erbscheins aufgeben kann, wenngleich der Antragsteller dem Grundbuchamt zum Nachweis seiner Rechte unter anderem ein notarielles Testament vorgelegt hatte.
In der Angelegenheit war die Erblasserin am 16.12.2015 verstorben. Sie hatte am 20.10.2011 ein notarielles Testament errichtet.
In diesem Testament hatte die Erblasserin ihren Enkel als alleinigen Erben eingesetzt. Als Ersatzerbin hatte die Erblasserin in dem Testament ihre Tochter eingesetzt.
Enkel schlägt die Erbschaft aus
Nach dem Eintritt des Erbfalls suchten Tochter und Enkel einen Notar auf und ließen dort eine Ausschlagungserklärung durch den Enkel der Erblasserin beglaubigen. Diese Ausschlagung der Erbschaft erfolgte form- und fristgerecht.
Nach der erfolgten Ausschlagung war nach dem notariellen Testament vom 20.10.2011 die Tochter der Erblasserin zur Erbfolge berufen.
Die Tochter der Erblasserin beantragte sodann beim Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuchs und die Umschreibung von Nachlassimmobilien auf sich. Zur Begründung dieses Antrags legte die Tochter der Erblasserin das notarielle Testament und die notariell beglaubigte Ausschlagungserklärung des Enkels vor.
Grundbuchamt fordert einen Erbschein
Das Grundbuchamt weigerte sich aber, diesem Antrag zu entsprechen. Es forderte die Tochter vielmehr auf, zum Nachweis ihres Erbrechts einen Erbschein vorzulegen.
Dieser Forderung wollte die Tochter aber nicht nachkommen und legte gegen die Entscheidung des Grundbuchamts Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG wies die Beschwerde aber als unbegründet zurück.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass für die Grundbuchberichtigung dann ein notarielles Testament als Nachweis ausreichend sei, wenn sich mit dessen Hilfe die Erbfolge nachweisen lasse.
Würden sich bei Prüfung des notariellen Testaments keine Zweifel tatsächlicher Art ergeben, so sei die Auflage, das Erbrecht durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, nicht gerechtfertigt, so das OLG.
Dabei müsse das Grundbuchamt ein notarielles Testament nötigenfalls auch selber auslegen und selbst schwierige Rechtsfragen eigenständig klären.
Im vorliegenden Fall billigte das OLG dem Grundbuchamt aber zu, dass es trotz Vorliegen eines notariellen Testaments und einer notariell beglaubigten Ausschlagungserklärung eine abschließende Feststellung des Erbrechts der Tochter der Erblasserin nicht vornehmen konnte.
Hatte der Enkel die Erbschaft bereits angenommen?
Hierfür sei es nämlich nicht ausreichend, die – gegebene – Form- und Fristgemäßheit der Ausschlagung durch den Enkel zu bejahen.
Vielmehr müsse auch überprüft werden, ob der Enkel vor der Erklärung der Ausschlagung sein Ausschlagungsrecht gegebenenfalls durch eine – auch konkludent erklärte – Annahme der Erbschaft verloren hatte. Für eine Annahme der Erbschaft würden zwar keine Anhaltspunkte vorliegen, es könne aber nach Auffassung des Gerichts auch nicht ausgeschlossen werden.
In Ergebnis musste sich die Tochter nach dieser Entscheidung doch einen Erbschein besorgen.
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