Grundbuchamt kann zum Nachweis der Testierfähigkeit des Erblassers nicht die Vorlage eines Erbscheins fordern
OLG München – Beschluss vom 31.10.2014 – 34 Wx 293/14
- Erblasser ist gesundheitlich massiv angeschlagen und errichtet ein notarielles Testament
- Erbin begehrt auf Grundlage dieses Testaments nach dem Erbfall die Grundbuchberichtigung
- Grundbuchamt weigert sich und hält das Testament für unwirksam
Das Oberlandesgericht München hatte in einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit zu entscheiden, ob das Grundbuchamt bei Existenz eines notariellen Testaments zum Zweck des Nachweises der Erbfolge darauf bestehen darf, dass von der Erbin ein Erbschein vorgelegt wird, wenn Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen.
Der Erblasser war am 12.03.2013 verstorben. Er war vor seinem Versterben aufgrund mehrerer Schlaganfälle in schlechtem gesundheitlichen Zustand.
Vom August 2007 bis zum Oktober 2010 stand der Erblasser unter Betreuung.
Erblasser kann seinen Namen nicht mehr schreiben und errichtet ein notarielles Testament
Obwohl er in Folge seiner Erkrankung und damit verbundenen Lähmungserscheinungen seinen Namen selber nicht mehr schreiben konnte, errichtete der Erblasser am 30.03.2009 ein notarielles Testament. In diesem Testament setze der Erblasser seine damalige Betreuerin und spätere Ehefrau als Alleinerbin ein und machte seiner Erbin zur Auflage, nach seinem Ableben eine Stiftung zu errichten, deren Zweck nach dem Willen des Erblassers die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe sein sollte.
Nach dem Eintritt des Erbfalls und nach Testamentseröffnung beantragte die Erbin beim zuständigen Grundbuchamt die Umschreibung von fünf Nachlassimmobilien auf sie als neue Eigentümerin. Zum Nachweis der Erbfolge legte die Erbin dem Grundbuchamt das notarielle Testament vom März 2009 nebst Eröffnungsprotokoll vor.
Das Grundbuchamt zog die bei demselben Amtsgericht geführten Betreuungs- und Nachlassakten bei und lehnte daraufhin die Umschreibung der Grundbücher ab.
Gutachten spricht gegen die Testierfähigkeit des Erblassers
Seine Entscheidung begründete das Grundbuchamt mit dem Umstand, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments unter Betreuung gestanden habe und ein in den Akten befindliches medizinisches Gutachten gegen die Testierfähigkeit des Erblassers spreche.
Das Grundbuchamt gab der Erbin auf, zum Nachweis der Erbfolge – und zum Nachweis der Wirksamkeit des vorliegenden Testaments – einen Erbschein beizubringen.
Gegen diese Entscheidung legte die Erbin Beschwerde ein. Nachdem das Grundbuchamt dieser Beschwerde nicht abhelfen wollte, war das OLG zur Entscheidung berufen.
Das OLG hob die Entscheidung des Grundbuchamtes auf.
Oberlandesgericht hebt die Entscheidung des Grundbuchamtes auf
Das Oberlandesgericht stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass das Testament vom März 2009 formgültig errichtet worden war, obwohl der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr schreiben konnte.
Weiter wies das OLG darauf hin, dass die Vorlage eines notariellen Testaments mitsamt Eröffnungsprotokoll im Normalfall ausreicht, um gegenüber dem Grundbuchamt den Nachweis der Erbfolge zu führen. Es stehe, so das OLG, „auch bei schwieriger Rechtslage nicht im Belieben des Grundbuchamts, anstelle der öffentlichen Urkunde einen Erbschein zu verlangen“.
Der Umstand, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter Betreuung gestanden habe, sage, so das OLG, über die Frage der Testierfähigkeit an sich nichts aus. Nur soweit begründete Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments mangels Testierfähigkeit des Erblassers vorliegen, könne das Grundbuchamt auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen.
Dies vorausgeschickt räumte das OLG zwar ein, dass die zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers vorliegenden Gutachten und Erkenntnisse „nicht in jeder Hinsicht völlig deckungsgleich“ seien und die Testierfähigkeit des Erblassers zweifelhaft sei, im Ergebnis bejahte das OLG aber die Wirksamkeit des vorliegenden Testaments.
OLG gesteht zu, dass die Testierfähigkeit des Erblassers zweifelhaft sei
Dabei lag dem OLG ein in unmittelbarerem Zusammenhang mit der Testamentserrichtung erstelltes fachärztliches psychiatrisches Gutachten vor, das die Frage der Testierfähigkeit bejahte.
Ein vom Betreuungsgericht in Auftrag gegebenes Gutachten kam hingegen im gleichen Jahr zu dem Schluss, dass „die Auswirkungen aller psychopathologischen Symptome derart schwerwiegend (seien), dass eine uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht bejaht“ werden könne.
Auch ein weiteres medizinisches Gutachten stellte fest, dass die „Geschäftsfähigkeit für Geschäfte und Vollmachten nicht positiv beurteilt werden“ könne.
Im Jahr 2010 wiederum beurteilte ein weiteres Gutachten, dass „kein völliger Ausschluss der freien Willensbestimmung (vorliege), jedoch … eine erhebliche Störanfälligkeit“ besteht.
Trotz dieser zum Teil voneinander abweichenden Aussagen der verschiedenen Gutachter hatten die Richter am OLG im Ergebnis keinen hinreichenden Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments und der Erbenstellung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin.
Im Ergebnis ließ sich das OLG dabei von der eher pragmatischen Einschätzung leiten, dass in Anbetracht der vorliegenden - sich widersprechenden - Gutachten auch eine weitere Beweisaufnahme in einem Erbscheinverfahren keine Gewissheit in der Frage bringen würde, ob der Erblasser nun im März 2009 testierfähig war oder nicht.
Die Umschreibung der Grundbücher konnte also alleine auf Grundlage des notariellen Testaments und des Eröffnungsprotokolls erfolgen.
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