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Nachlassgericht stellt ein Erbrecht des Fiskus fest, obwohl es gesetzliche Erben gibt!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Braunschweig – Beschluss vom 17.12.2021 – 3 W 48/21

  • Nachlassgericht hat Probleme bei der Ermittlung gesetzlicher Erben
  • Es können nur Erben aus der Linie der Großeltern mütterlicherseits des Erblassers ermittelt werden
  • Für den Erbteil, der auf die Linie der Großeltern väterlicherseits des Erblassers entfallen wäre, stellt das Nachlassgericht das Erbrecht des Landes Niedersachsen fest

Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte über einen Beschluss eines Nachlassgerichts zu entscheiden, mit dem ein Erbrecht für den Fiskus festgestellt wurde.

In der Angelegenheit war ein unverheirateter und kinderloser Erblasser verstorben. Der Erblasser hatte kein Testament hinterlassen.

Auch die Eltern des Erblassers hatten außer dem Erblasser selbst keine weiteren Nachkommen.

Es können nur Erben aus der Linie der Großeltern mütterlicherseits ermittelt werden

An gesetzlichen Erben konnte das Nachlassgericht lediglich Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits des Erblassers ermitteln.

Nachkommen der Großeltern väterlicherseits waren zunächst unbekannt.

Im März 2020 beantragten die Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits dann bei dem zuständigen Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Teilerbschein, wonach sie den Erblasser insgesamt zu ½ beerbt haben.

Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits beantragen und erhalten einen Teilerbschein

Dieser Erbschein wurde den Antragstellern in der Folge auch erteilt.

Im Juli beantragten die Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits dann auch für die noch offene Hälfte des Nachlasses einen Rest-Teilerbschein.

Die Antragsteller wollten in diesem Erbschein festgestellt wissen, dass sie auch Erben für die zweite Hälfte des Nachlasses sind.

Begründet wurde dieser zweite Erbscheinsantrag mit dem Hinweis, dass vom Nachlassgericht Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits des Erblassers nicht ermittelt worden seien.

Nachlassgericht findet keine Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits

Auf diesen Erbscheinsantrag hin unternahm das Nachlassgericht weitere Anstrengungen, um in Frage kommende gesetzliche Erben aus der Linie des Großeltern väterlicherseits des Erblassers zu ermitteln.

Als diese Ermittlungen aber ergebnislos blieben, stellte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 15. März 2021 fest, dass

„ein anderer Erbe hinsichtlich des verbleibenden ½-Anteils des Nachlasses als das Land Niedersachsen nicht vorhanden ist.“

Gegen diesen Beschluss legte das Land Niedersachsen in der Folge aber Beschwerde ein.

Fiskalerbrecht kann nur bei Abwesenheit von gesetzlichen Erben festgestellt werden

In der Beschwerde wies das Land Niedersachsen darauf hin, dass ein Erbrecht des Staates nur dann festgestellt werden könne, wenn überhaupt keine gesetzlichen Erben vorhanden seien.

Trotz dieses deutlichen Hinweises blieb das Nachlassgericht aber bei seiner Einschätzung der Lage.

Es seien, so die Argumentation des Nachlassgerichts, lediglich gesetzliche Erben aus der Linie der Großeltern des Erblassers mütterlicherseits feststellbar gewesen.

Nachlassgericht bleibt bei seiner Linie

Nachdem es offenbar aus der Linie der Großeltern des Erblassers väterlicherseits keine Erben gebe, sei eben ein Fiskuserbrecht für den halben Anteil der väterlichen Linie des Erblassers festzustellen gewesen.

Mit dieser Vorgeschichte landete die Angelegenheit bei dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdeinstanz.

Das OLG gab der Beschwerde des Landes Niedersachsen auch statt.

Der Staat ist immer nur Noterbe

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass ein Fiskalerbrecht ausschließlich dann in Betracht kommt, wenn „weder erbberechtigte Verwandte, noch ein erbberechtigter Lebenspartner noch ein erbberechtigter Ehegatte vorhanden sind.“

Der Staat sei immer nur Noterbe, der dann zum Zuge komme, wenn es überhaupt keinen gesetzlichen Erben gebe.

Sollten tatsächlich keine Erben aus der Linie der vorverstorbenen Großeltern väterlicherseits des Erblassers ermittelt werden können, so seien nach § 1926 Abs. 4 BGB die Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits die alleinigen Erben.

Eine Erbschaft des Fiskus hätte vor diesem Hintergrund in keinem Fall festgestellt werden dürfen.

Die Angelegenheit wurde mit diesen Hinweisen vom OLG an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

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