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Wenn der Erbschein unrichtig ist – Die Einziehung des Erbscheins

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Der Erbschein verleiht dem dort ausgewiesenen Erben eine umfassende Verfügungsmacht über den Nachlass
  • Es kommt immer wieder vor, dass ein erteilter Erbschein inhaltlich unrichtig ist
  • Einen unrichtigen Erbschein hat das Nachlassgericht von Amts wegen einzuziehen

Der Erbschein erfüllt im Rechtsverkehr einen wichtigen Zweck. Er legitimiert den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers.

Derjenige, der einen Vermögenswert von dem mit einem Erbschein ausgewiesenen Erben erwirbt, kann auf die Richtigkeit des Inhalts des Erbscheins vertrauen, § 2366 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Ebenso respektieren das staatliche Handelsregister oder das Grundbuch den Nachweis der Rechtsnachfolge durch einen vorgelegten Erbschein.

Wirtschaftlich betrachtet, eröffnet der Erbschein also dem dort als Erben Ausgewiesenen die Möglichkeit, wirksam Vermögenstransaktionen in Bezug auf die zum Nachlass gehörenden Werte durchzuführen.

Tatsächlich kommt es jedoch immer wieder vor, dass der im Erbschein ausgewiesene Erbe rechtlich gesehen nicht der richtige Erbe ist. Für eine solche Konstellation muss gar nicht – was auch vorkommt – vom Nachlassgericht aus Rechtsgründen eine inhaltlich falsche Entscheidung getroffen worden sein.

Ein erteilter Erbschein kann sachlich unzutreffend sein

Es gibt vielmehr immer wieder Fälle, in denen sich nach Erteilung des Erbscheins herausstellt, dass der vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt unzutreffend ist. Taucht beispielsweise nach Erteilung des Erbscheins ein weiteres Testament des Erblassers auf, das die in dem Erbschein ausgewiesene Erbfolge komplett auf den Kopf stellt, dann ist ein vorgeblicher Erbe bereits seit geraumer Zeit mit einem unzutreffenden Erbschein unterwegs und hat mit dessen Hilfe möglicherweise schon Nachlasswerte in beträchtlichem Ausmaß veräußert.

Ein inhaltlich unzutreffender Erbschein ist vor allem für den tatsächlichen Erben ein Umstand, den er nicht dulden kann und auch nicht dulden muss. § 2362 BGB gibt dem wirklichen Erben einen Anspruch gegen den Besitzer des unzutreffenden Erbscheins auf Herausgabe der Urkunde an das Nachlassgericht.

Der wirkliche Erbe kann sich also jederzeit an den Erbscheinsbesitzer wenden und diesen auffordern, den inhaltlich falschen Erbschein unverzüglich bei Gericht abzuliefern. Kommt der Besitzer des Erbscheins dieser Aufforderung nicht nach, kann der wirkliche Erbe seinen Anspruch mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen.

Wenn die Zeit drängt, kann man bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen

Falls Gefahr in Verzug ist, dass der Besitzer des unrichtigen Erbscheins Nachlassgegenstände veräußert, kann man bei Gericht für die Zeit bis zur Einziehung bzw. Kraftloserklärung des Erbscheins eine einstweilige Verfügung, gerichtet auf die Verwahrung oder Hinterlegung von konkret zu bezeichnenden Nachlassgegenständen, beantragen.

Einen weiteren Weg, einen unrichtigen Erbschein aus dem Verkehr zu ziehen, eröffnet § 2361 BGB. Danach hat dasjenige Nachlassgericht, das den unrichtigen Erbschein ausgestellt hat, aus eigenem Antrieb den Erbschein einzuziehen oder, sollte der Erbschein gegenständlich nicht mehr vorhanden sein, für kraftlos zu erklären.

Das Nachlassgericht muss dabei von Amts wegen tätig werden, wenn es beispielsweise entweder von Behördenseite oder vom betroffenen tatsächlichen Erben auf die Unrichtigkeit eines ausgestellten Erbscheins hingewiesen wird. An dem Einziehungsverfahren sind vom Gericht alle Personen zu beteiligen, die von der Einziehung des Erbscheins betroffen sein könnten.

Unrichtiger Erbschein ist beim Gericht abzuliefern

Kommt das Gericht im Rahmen des Verfahrens zu der Überzeugung, dass der Inhalt des ehedem ausgestellten Erbscheins unzutreffend ist, dann hat es anzuordnen, dass der Besitzer des Erbscheins diesen mitsamt möglicherweise erteilten Ausfertigungen beim Gericht abzuliefern sind.

Um einem solchen Einziehungsbeschluss auch den nötigen Druck zu verleihen, kann das Gericht gleichzeitig gegen den Ablieferungsverpflichteten ein Zwangsgeld oder sogar Zwangshaft androhen und nötigenfalls vollstrecken, § 35 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit).

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