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Ein überflüssiger Erbschein muss nicht bezahlt werden

Von: Dr. Georg Weißenfels

LG Münster – Beschluss vom 15.05.2017 – 5 OH 42/16

  • Notar rät Erbin zur Beantragung Erbschein
  • Erbin benötigt für die Abwicklung der Erbschaft gar keinen Erbschein
  • Notar macht sich schadensersatzpflichtig und verliert Gebührenanspruch

Das Landgericht Münster hatte zu beurteilen, ob einem Notar ein Gebührenanspruch zusteht, selbst wenn er einer Erbin zur Beantragung eines überflüssigen Erbscheins rät.

In der Angelegenheit hatte eine Erblasserin ein privates Testament hinterlassen. Nach diesem Testament sollte eine Bekannte ihre alleinige Erbin sein.

Die Bekannte hatte sich schon vor dem Tod der Erblasserin um diese gekümmert und hatte von der Erblasserin eine Vollmacht erhalten.

Der Nachlass bestand aus zwei Bankkonten. Immobilien waren im Nachlass nicht vorhanden.

Nach dem Tod der Erblasserin suchte die Erbin einen Notar auf. Dieser riet der Erbin, einen Erbschein zu beantragen. Diesen Erbschein, so der Notar, würde die Erbin für die Abwicklung der Erbschaft benötigen. Der Erbschein wurde in der Folge, wie vom Notar vorgeschlagen, beim Nachlassgericht beantragt.

Der Notar ging von einem Nachlasswert in Höhe von 150.000 Euro aus und rechnete seine Tätigkeit mit einem Betrag in Höhe von 446,13 Euro gegenüber der Erbin ab.

Nachlassgericht rät zur Rücknahme des Erbscheinantrages

Auf Anraten des Nachlassgerichts nahm die Erbin in der Folge aber den Erbscheinsantrag wieder zurück. Im Nachlassverfahren wurde ein Nachlasswert in Höhe von 291.528,38 Euro angesetzt. Das Nachlassgericht stellte der Erbin Gerichtskosten in Höhe von 190,50 Euro in Rechnung, die von der Erbin auch bezahlt wurden.

In der Folge ließ die Erbin bei den beteiligten Banken die Kontoguthaben auf sich umschreiben. Ein Erbschein wurde hierfür nicht benötigt. Den Banken reichte die Vorlage des privaten Testaments.

Daraufhin leitete die Erbin ein Kostenprüfungsverfahren ein. Sie vertrat die Auffassung, dass sie vom Notar fehlerhaft beraten wurde. Ein Erbschein sei in ihrem Fall offensichtlich nicht erforderlich gewesen. Entsprechend könne der Notar auch keine Gebühren abrechnen und müsse ihr die bereits bezahlten Gerichtsgebühren erstatten.

Notar korrigiert seine Rechnung nach oben

Im Laufe des Verfahrens korrigierte der Notar seine Rechnung, basierend auf einem Nachlasswert von 291.528,38 Euro, auf einen Betrag in Höhe von 780,52 Euro nach oben.

Das Gericht gab der Erbin im Wesentlichen Recht. Das Gericht entschied, dass die Notarkostenrechnung abzuändern und der Rechnungsbetrag auf 239,69 Euro zu reduzieren sei.

Der Notar habe den von ihm geforderten Gebührenbetrag wegen unrichtiger Sachbehandlung verwirkt. Der Notar könne nur diejenigen Gebühren fordern, die auch bei richtiger Sachbehandlung angefallen wären.

Gericht: Notar hat den Fall unrichtig behandelt

Dabei gründete das Gericht den Vorwurf der unrichtigen Sachbehandlung durch den Notar nicht auf dem Umstand, dass nach einem Urteil des BGH vom 05.04.2016, XI ZR 440/16, Banken einen Erbschein nur noch in Ausnahmefällen und jedenfalls nicht bei klarer Erbfolge verlangen dürfen.

Dieses neue Urteil sei dem Notar möglicherweise zum Zeitpunkt seiner Beratung noch nicht bekannt gewesen.

Der Notar sei aber vorliegend seiner Pflicht aus § 17 BeurkG, den Sachverhalt aufzuklären, den wahren Willen der Beteiligten zu erforschen und sie über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren, nicht ausreichend nachgekommen.

Der Notar hätte der Erbin empfehlen müssen, die Nachlassabwicklung zunächst ohne einen Erbschein zu versuchen. Weiter hätte der Notar aufklären müssen, ob die Vollmacht, die die Erbin von der Erblasserin erhalten hatte, möglicherweise auch postmortal eingesetzt werden konnte.

Hätte sich der Notar ordnungsgemäß verhalten, hätte er der Erbin für seine Beratung einen Betrag in Höhe von 430,19 Euro in Rechnung stellen dürfen. Weiter wären der Erbin im Falle ordnungsgemäßer Sachbehandlung durch den Notar keine Gerichtskosten in Höhe von 190,50 Euro entstanden. Diese seien als Schadensersatz vom Notar zu übernehmen.

Im Ergebnis konnte der Notar lediglich 239,69 Euro von der Erbin verlangen.

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